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Die Poesie ist zu Ende
Wenn uns auch die tiefgreifenden Veränderungen bei unseren Nachbarn, seien sie nun in Laibach und Agram oder in Prag und Preßburg am meisten berühren und fordern, eines ist selbstverständlich: Die Menschenrechte sind universell und unteilbar, dies gilt für das Baltikum genauso wie für Kuweit, für die Kurden und Albaner.
Da kann es keine doppelte Moral und Buchhaltung geben, es muß universell, verantwortungsbewußtgehandelt werden.
Global gilt auch: Rückschläge sind kein Anlaß zu Resignation und Fatalismus, sondern fordern unsere Verantwortung. Marion Gräfin Dönhoff schreibt: „Der Westen, der 40 Jahre lang mit aller Kraft darum gekämpft hat, den Kommunismus zurückzudrängen, darf nun, wo dies endlich gelungen ist, nicht die Hände in den Schoß legen. Gerade jetzt hängt alles davon ab, die befreiten Osteuropäer zu unterstützen, damit sie als Demokratien überleben können; sonst wäre der lange Kampf umsonst gewesen. Es wäre eine Sünde, diese Chance, die vermutlich nie wiederkehrt, ungenutzt verstreichen zu lassen." Dem ist voll beizupflichten.
Nach dem Fall des Eisemen Vorhanges darf kein Goldener errichtet werden. Denn so sehr der Osten auf die Hilfe des Westens angewiesen ist, so sehr können auch wir in vielfältiger Weise lernen und profitieren.
Ich denke in diesem Zusammenhang an die jüngste Sozialenzyklika „Centesimus annus" oder an die eindrucksvolle Rede Vaclav Havels anläßlich der vorjährigen Eröffnung der Salzburger Festspiele, aus der ich wörtlich zitiere: „Wir begriffen, daß die Poesie zu Ende gegangen war und die Prosa begonnen hatte. Der Karneval war zu Ende und der Alltag begann. Und eigentlich erst jetzt ging es uns auf, wie schwer die Last wiegt, die wir auf uns genommen hatten."
Aus einer Rede vom 15. Mai 1991 anläßlich der Präsentation des Buches „Die neue Architektur Europas" - Reflexionen in einer bedrohten Welt. Herausgegeben von Wolfgang Mantl. Böhlau-Verlag. Wien 1991.
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