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Strafe muß sein?

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Wie stellt sich nun der neue Gesetzentwurf dazu? Er hebt wohl den § 67 PStG auf, führt aber statt dessen Verwaltungsstrafen ein, die der Bezirksverwaltungsbehörde die Möglichkeit geben sollen, Strafen bis zu 10.000 S oder einen Monat Arrest zu verhängen. Damit ist lediglich eine Übertragung der Strafbefugnis von den ordentlichen Gerichten auf die Verwaltungsbehörden erfolgt. Die Proponenten stehen daher auf dem Standpunkt: Strafe muß sein.

Damit aber nicht genug. Nach der Neuformulierung des § 15 können Trauungen mit Wirksamkeit für den staatlichen Bereich nur Seelsorger der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften vornehmen. Da sich die Strafbestimmungen nach der Diktion des Entwurfes auch wieder nur auf Seelsorger der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften beziehen, so bedeutet dies zunächst, daß Seelsorger der nicht anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften Trauungen vornehmen können, die allerdings nicht staatliche Wirksamkeit haben. Diese Trauungsakte sind aber dann auch straffrei. Nach dem Tenor des Gesetzentwurfes gibt es aber für die Seelsorger staatlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften, ausgenommen im Falle der lebensgefährlichen Erkrankung eines der Verlobten, nur die Möglichkeit: staatlich gültige Trauung oder Strafe!

Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die katholische Kirche wesentlichen Wert darauf legt, daß die kirchliche Ehe auch staatlich anerkannt wird. Bei einer Diskrepanz zwischen staatlicher und kirchlicher Gesetzgebung bestehen überdies strenge Vorschriften, die es dem kirchlichen Oberen zur Pflicht machen, für den staatlichen Bereich nicht wirksame Trauungen nur im äußersten Falle zuzulassen. Wie streng diese Vorschriften sind, kann für die österreichische Praxis aus der Zeit des Konkordatseherechts (1934 bis 1938) erwiesen werden, denn auch damals gab es auf Grund der Sonderbestimmungen für das Burgenland die Möglichkeit einer Diskrepanz zwischen bloß kirchlichen und staatlich anerkannten kirchlichen Eheschließungen. Ein unvoreingenommener Zeuge wie ProfessoT Köstler hat ausdrücklich nachgewiesen *, daß während dieser Zeit keine einzige bloß

kirchliche Eheschließung vom damals zuständigen Wiener Ordinariat bewilligt wurde.

Die Strafbestimmungen, in welcher Form immer, sind nationalsozialistisches Erbgut, das mit den Grundsätzen der Glaubens- und Gewissensfreiheit des heutigen Österreich unvereinbar ist. S i e gehören weg.

Als besonderes Kuriosum sei noch vermerkt, daß nach der Diktion des Entwurfes die Strafbestimmungen überhaupt nicht anwendbar sind, denn wenn die schon kritisierte Bestimmung des Formalbeweises durch standesamtliche Urkunden für den Abschluß einer kirchlichen Ehe durchdringen würde und kein anderes Beweismittel zulässig wäre — wie könnte dann die Verwaltungsbehörde gegen einen Seelsorger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft mit Strafamtshandlungen vorgehen?

Diese Ausführungen beweisen, daß der neue Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht tragbar ist. Wir haben die positiven Tendenzen hervorgehoben. Wenn auf diesen aufgebaut wird, kann es zu einer Lösung der zweifellos schwierigen Frage kommen. Guter Wille ist auf beiden Seiten vorhanden. Er sollte die einzige Grundlage der Verhandlungen darstellen — zum Segen für Kirche und Staat in Österreich.

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