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„Ein Finanzminister mit ausgeprägtem Todestrieb"

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Nur ein Finanzminister mit ausgeprägtem Todestrieb", schrieb Herbert Salcher in der FURCHE (5/1983), könnte eine Generalreform des Steuersystems ankündigen. Sechzehn Monate später hat ihn seine Vorahnung eingeholt.

Herbert Salcher wurde getrieben: von SPÖ und FPÖ, die sich in ihren Wahlprogrammen, dem Koalitionsübereinkommen vom 11. Mai 1983 und der Regierungserklärung vom 31. Mai 1983 eindeutig auf eine große Steuerreform eingeschworen haben.

Herbert Salcher, das läßt sich dokumentieren, war, das „eklatante Fehlen eines breiten Konsenses" (Salcher am 2. Februar 1983) in dieser Frage vor Augen, gegen jede Generalreform und für „viele kleine Reformschritte".

Nicht Herbert Salcher hat, sondern Kanzler Fred Sinowatz und Vizekanzler Norbert Steger haben den Rahmen diktiert, der für den Finanzminister verbindlich war: „Angestrebt wird eine Steuerreform mit dem Ziel, ein sozial gerechtes, einfaches und lei-stungsförderndes Steuersystem zu schaffen, das auch zum Rohstoff- und Energiesparen anregt. Im Zuge dieser Reform wird auch eine Uberprüfung des Steuerrechtes auf sachlich nicht mehr gerechtfertigte Ausnahmebestimmungen vorgenommen werden" (Koalitionspakt).

Und der Kanzlerauftrag an den Finanzminister war, „sehr rasch Vorschläge für eine Steuerreform vorzulegen" (Regierungserklärung).

Herbert Salcher hat als Finanzminister eine einzige Qualität eingebracht: Loyalität als Diener zweier Herrn, Loyalität zu Bruno Kreisky und Fred Sinowatz. Nicht nur das hat ihn von seinem Vorgänger im Amt unterschieden.

Herbert Salcher hat ergeben drei Varianten für eine Reform vorgeschlagen.

Variante eins: Senkung des Steuertarifs um drei Prozentpunkte, dafür Abschaffung von steuerlichen Begünstigungen für Uberstundenzuschläge sowie für Sonntags-, Feiertags-, Nachtar-beits-, Schmutz-, Erschwernis-und Gefahrenzulagen.

Variante zwei: Senkung des Steuertarifs um eineinhalb Prozentpunkte, wobei die steuerliche Begünstigung für Uberstundenzuschläge nur teilweise eingeschränkt worden wäre.

Variante drei: Reduzierung des Steuertarifs um nur einen Prozentpunkt, normale Besteuerung der Uberstunden erst über 5070 Schilling.

Bei allen drei Varianten wurde die Abschaffung des erhöhten Werbekostenpauschales für bestimmte Berufsgruppen (bis 9.500 Schilling monatlich) vorgeschlagen. Motto: Privilegienabbau.

Ohne diese Details zu kennen und ohne Rücksprache mit seinem Finanzminister sagte Sinowatz die Reform ab (FURCHE 22/ 1984), um sich von diesem Rückzieher mit einem weiteren Rückzieher am 29. Mai selbst auszutricksen:

„Es gibt keine abgesagte Steuerreform, ... ich habe nur neuerlich klargestellt, daß es in dieser Legislaturperiode keine höhere Besteuerung für das 13. und 14.

Monatsgehalt, auf Uberstunden und Abfertigungen geben wird." Gerüchte machen Politik.

Fred Sinowatz hat seinen Finanzminister desavouiert. Und Herbert Salcher hat sich jeden Ausweg abgeschnitten; der Bogen spannt sich von der (noch) nicht gehaltenen Rücktrittsankündigungsrede im Parlament bis zum „profil'Mnterview: „Ich gehe ohne Bitterkeit..."

Will Herbert Salcher sein Gesicht wahren, kann er nur gehen. Da bleibt für die entscheidende Sitzung des SPÖ-Bundespartei-vorstandes am 7. Juni kaum ein anderer Spielraum, da können halbherzige Solidaritätsadressen von Parteifreunden nichts ändern: Die helfen Sinowatz weit mehr als sie Salcher stützen.

Salcher ist nicht Opfer seiner Reformideen, sondern Opfer der Führungsschwäche des Regie-rungs- und Parteichefs: Wesentliche Ziele der Regierungspolitik sind ins Wanken geraten, Sinowatz läßt nur wenig Bereitschaft erkennen, Kurs halten zu können.

Das Problem besteht nicht darin, ob eine Reform des Steuersystems mit oder ohne Salcher erfolgt. Das Problem ist vielmehr, daß eine grundlegende Steuerreform — so wie von Salcher im Sinne der Regierungserklärung vorbereitet — mit Jahresbeginn 1985 erfolgt.

An dieser Reform und der sich daraus ergebenden Neuverteilung der Steuern hängt nämlich auch der Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, der ab 1985 neu geregelt werden muß.

Für diesen Finanzausgleich strebt die Koalitionsregierung einen Wegfall der Gewerbe- und Lohnsummensteuer an, ein Eingriff in das Steuersystem, der so ausschließlich die Gemeinden träfe.

Welche Geldströme sollen dafür Ersatz schaffen? Auf welchen Grundlagen soll überhaupt der Finanzausgleich aufbauen? Welche gemeinschaftlichen Bundesabgaben wird es überhaupt geben?

Hier mangelt es an Koordination. Und dafür ist es gleichgültig, wie der Finanzminister heißt.

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