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FURCHE-Interview mit Finanzminister Herbert Salcher

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FURCHE: Wir haben Sie wegen Ihres Eintretens für einen Verzicht Österreichs auf eine „Aufrüstung" in einem Kirchenzeitungsinterview kritisiert und Bundeskanzler Kreisky schrieb. Sie seien dabei „sicherlich mißverstanden” worden. Meinten Sie mit der „Aufrüstung" den Ankauf von Abfangjägern?

SALCHER: Ich akzeptiere, daß das Bekenntnis zur bewaffneten Neutralität gewisse Verpflichtungen einschließt. Aber die Luftverteidigung bleibt ein Torso, weil sie ohne Lenkraketen, wie Fachleute immer wieder versichern, nicht voll wirksam werden kann. Dagegen ist die Durchführung des Landwehrkonzeptes für mich eine Selbstverständlichkeit.

FURCHE: Ist das aber dann nicht eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn alle drei Parlamentsparteien im Landesverteidigungsrat den Jägerankauf empfehlen, es aber nicht dazu kommt?

SALCHER: Ich will nicht über reine Fragen des Verteidigungsbereiches urteilen. Ich stehe aber vor dem Dilemma, neben den zusätzlichen Aufwendungen für die Durchführung des Landwehrkonzeptes auch noch für die Abfangjäger Mittel aufzubringen. Das ist in der jetzigen Zeit ein unfinanzierbares Beginnen, wenn gleichzeitig die Ausgaben für die Abwicklung des Staatsschuldendienstes steigen und bei geringeren Einnahmen alle Ausgabenposten gekürzt werden müssen. Ich könnte es mir leicht machen und „prinzipiell ja“ sagen, weil die ersten Budgetansätze für die Abfangjäger ohnehin erst 1983 und 1984 fällig wären. Aber das ist nicht meine Art, Politik zu machen!

Ich bin bemüht, mittelfristig zu planen. Wenn die Regierung in der Prioritätenliste die Abfangjäger vorreiht, muß sie sagen, woher die Milliarden dafür kommen sollen. Das Defizit darf jedenfalls nicht steigen.

FURCHE: Und das Argument mit den Gegengeschäften, die Frankreich für seine „Mirage 50" anbietet?

SALCHER: Würde zwar bewirken, daß die Transaktion leistungsbilanzmäßig neutral abliefe, aber nichts dar

an ändern, daß wir die Flugzeuge aus Budgetmitteln bezahlen müßten!

FURCHE: Also hätten Sie auch kein Geld für Luftabwehrraketen, wenn wir eines Tages solche doch haben dürften?

SALCHER: Da wäre ohnehin das gesamte Verteidigungskonzept neu zu überdenken.

FURCHE: Argumentieren Sie jetzt als Finanzminister oder als sozialistischer Katholik?

SALCHER: Das ist nicht leicht zu trennen. Ich bin nicht bereit, meine Gesinnung und meine Grundsätze an der Garderobe eines Ministeriums abzugeben. Als Minister freilich muß ich Beschlüsse der Regierung durchführen. Wenn man da innerlich eines Tages nicht mehr mit kann, ergibt das in der Demokratie die Konsequenz, eine Funktion zur Verfügung zu stellen!

FURCHE: Was meinten Sie mit der Formulierung. Österreich müsse in der Friedenspolitik „vorsichtig. aber entschlossen nach neuen Wegen suchen"?

SALCHER: Eine schrittweise Umstellung der Rüstungsproduktion. Es widerstrebt mir innerlich, Rüstungen mit der Erhaltung von Arbeitsplätzen zu motivieren. Ich sehe ein, daß von heute auf morgen keine Änderung möglich ist. Aber auf längere Sicht ist in der Politik nichts unverrückbar - auch in der Verteidigungspolitik nicht.

FURCHE: Könnte Österreich noch mehr für den Frieden tun?

SALCHER: Wer die Initiativen unseres Bundeskanzlers kennt, weiß, daß wir Wer bereits Überdurchschnittliches leistet; Aber der Ausspruch „Es gibt genug Arme im eigenen Land, wozu Entwicklungshilfe?“ ist auch so eine Geisteshaltung, die für die Zukunft ge-

fährlich ist, zumal der Nord/Süd-Kon- flikt wohl in einem Jahrzehnt den West/Ost-Konflikt überdecken wird.

FURCHE: Sie sprechen von Änderungen und haben kein Geld. Welche Änderungen halten Sie für notwendig und möglich, die nichts kosten?

SALCHER: Änderungen, die nichts kosten, gibt es nicht. Das gilt für die Konsequenzen etwa aus dem neu erwachsenden Umweltbewußtsein ebenso wie für den Bereich der Sozialpolitik.

FURCHE: Sie halten nichts davon, daß man für die Kosten des Umweltschutzes die Verursacher von Umweltschäden zahlen lassen soll?

SALCHER: Oft ist es schon schwierig, den Verursacher zu finden - der Dreck hat kein Mascherl. Das gilt etwa für den ganzen Bereich der Immissionen. Aber auch dort, wo die Leistungsfähigkeit eines Betriebes und die Sicherung der Arbeitsplätze mit dem .Umweltprinzip in Konkurrenz treten, ist ein Mischsystem aus privater und öf- fentlicherMittelaufbringungnotwendig.

FURCHE: Wäre nicht auch in der Sozialpolitik ein Neudurchdenken der Kostenverteilung sinnvoll?

SALCHER: In keinem politischen Bereich gibt es einen Stillstand. Neue Finanzierungsformen und Möglichkeiten der stärkeren Selbstvorsorge müssen immer wieder diskutiert werden!

FURCHE: Wenn aber dann jemand mit einem Reformplan kommt, wie etwa jüngst die Bundeswirtschaftskammer für die soziale Krankenversicherung. dann ist die Gewerkschaftsreaktion ein Nein.

SALCHER: Das war die erste Reaktion. Aber an sich hat es die Gesprächsbereitschaft der Gewerkschaften in Österreich immer gegeben. Freilich gibt es eine interessante Beobachtung: Wenn zu einem Sachthema verschiedene Vorschläge gemacht werden, schreiben die Zeitungen gleich, das verunsichere die Öffentlichkeit. Und die Parteimitglieder sagen uns das gleiche, obwohl sie selber sich beschweren, wenn über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Das ist ein unlösbarer Widerspruch, der für alle Parteien gilt. Die Konsequenz wäre eine Einheitspartei. Auch in der Forderung nach einer Konzentrationsregierung aller Parteien kommt diese Harmoniesehnsucht zum Ausdruck. Aber das wäre der Tod der demokratischen Entwicklung.

Mit dem Bundesminister für Finanzen sprach Hubert Feichtlbauer.

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