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Genug Heimischer

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In Österreich wird, trotz anderslautender Gerächte, auch weiterhin genug einheimischer Wein zur Verfügung stehen. Man erwartet, daß die eben begonnene Lese 1972 eine Menge von rund 2,8 Millionen Hektoliter Wein bringen wird. Da der Österreicher durchschnittlich 40 Liter im Jahr trinkt, wird der „Zwei-undsiebziger“ ausreichen, den Durst zu stillen.

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In Österreich wird, trotz anderslautender Gerächte, auch weiterhin genug einheimischer Wein zur Verfügung stehen. Man erwartet, daß die eben begonnene Lese 1972 eine Menge von rund 2,8 Millionen Hektoliter Wein bringen wird. Da der Österreicher durchschnittlich 40 Liter im Jahr trinkt, wird der „Zwei-undsiebziger“ ausreichen, den Durst zu stillen.

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Knapp vor Beginn der Lese wurden jene Österreicher, die einen guten Tropfen Wein lieben, von Rundfunk und Fernsehen in Alarmstimmung versetzt. „Es (gibt kaum Wein mehr“ wurde in Interviews behauptet. „Wir müssen den Rekordpreis von acht Schilling für den Liter zahlen“ klagte der Handel. Die daraus resultierende Forderung hieß: Sofort aus dem Ausland Wein einführen! Und der bekannte Weinbaufachmann und Weinhändler Lenz Moser aus Rohrendorf bei Krems erinnerte wieder an seinen Vorschlag, die Weinfläche in Österreich um rund 2000 Hektar pro Jahr zu vermehren — damit es genügend Wein sowohl für die Einheimischen als auch für die Liebhaber des österreichischen Tropfens im Ausland gebe.

Alle diese Forderungen klingen dem Laien plausibel. Die Weinbauern und ihre Vertreter sehen die Lage freilich etwas anders. Zunächst stellen sie fest, daß es in Österreich immer wieder Weinernten gegeben hat, die so groß ausfielen, daß man sich ernste Sorgen machen mußte, was mit dem Getränk geschehen sollte. Bei einem Uberangebot sinken natürlich die Weinpreise und es gab Jahre, in denen manche

Bauern froh waren, ihren Wein um Außerdem erkannten die Agrarier drei Schilling pro Liter verkaufen zu den Wert der Werbung und können. Begreiflich, daß dieser Preis bemühen sich seit einigen Jahren, nicht im geringsten den Aufwand den Österreichern den heimischen deckte. Die Bauernvertreter setzten Wein noch schmackhafter zu machen.

Und mit Erfolg, wie die Statistik zeigt. Trank der Österreicher 1947 durchschnittlich nur 13 Liter im Jahr — Wein galt als Luxusgetränk —, so bewältigte er zwanzig Jahre später, bereits als Wohlstandsbürger, bereits 33,4 Liter und heute liegt der Weinkonsum, wie erwähnt, bei 40 Liter.

Diese Zahl klingt hoch, hat aber mit „Alkoholismus“ nichts zu tun. Die Franzosen etwa, denen niemand nachsagt, sie seien Alkoholiker, trinken im Jahr 140 Liter.

Das Jahr 1971 brachte nach drei hohen bis sehr hohen Ernten eine mengenmäßig schlechte Ernte: nur 1,8 Millionen Hektoliter konnten gewonnen werden. Zum Vergleich: 1970 erbrachte eine Rekordernte 3 Millionen Hektoliter!

Sofort verlangten verschiedene Seiten von den Agrariern, nun die flächenmäßige Beschränkung der Weinbaufläche aufzuheben und mehr Importe zuzulassen. Die Weinbauern argumentierten demgegenüber, daß man wegen einer einzigen Minderernte nicht ein wohldurchdachtes Programm über den Haufen werfen könne, und daß außerdem von den vorhergegangenen guten Ernten noch genug Wein vorrätig sei.

Die Situation zu Beginn der heurigen Weinlese zeigt sich, wie der Weinbaudirektor von Niederösterreich, Weiß, erklärt, wie folgt: Es liegt für ungefähr fünf Monate noch Wein auf Lager; wenn dieser Wein verbraucht ist, wird der neue Wein bereits da sein. Außerdem ist dem Weinhandel vertraglich zugesichert, daß er mindestens 200.000 Hektoliter pro Jahr aus dem Ausland einführen kann. Zu dem Vorwurf, der Handel müsse zur Zeit den „Rekordpreis“ von acht Schilling für den Liter zahlen, stellen die Hauer fest, daß sie 1963 durchschnittlich 9 Schilling erhielten, einen Preis also, der nicht wieder erreicht worden sei, obwohl die Preise aller anderen Produkte im gleichen Zeitraum beträchtlich gestiegen sind. Fazit: Es wird auch weiterhin „ein Wein sein“, wie es in dem bekannten Heurigenlied heißt, und die Österreicher brauchen auf das freudenspendende Getränk nicht zu verzichten.

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