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„Ich sehe reale Chancen”

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Von 29. Mai bis 4. Juni fanden in Patmos und Rhodos die ersten offiziellen Einigungsverhandlungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxie statt. Die FURCHE sprach mit Univ.-Prof. Ernst C. Suttner, Professor der Patrologie und Ostkirchenkunde der Universität Wien, der als einziger österreichischer Theologe daran teilnahm. Das Gespräch führte Linda Elias Blanco, die die Antworten verkürzt und zusammengefaßt hat.

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Von 29. Mai bis 4. Juni fanden in Patmos und Rhodos die ersten offiziellen Einigungsverhandlungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxie statt. Die FURCHE sprach mit Univ.-Prof. Ernst C. Suttner, Professor der Patrologie und Ostkirchenkunde der Universität Wien, der als einziger österreichischer Theologe daran teilnahm. Das Gespräch führte Linda Elias Blanco, die die Antworten verkürzt und zusammengefaßt hat.

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FURCHE: Welche Kirchen waren in Patmos und Rhodos vertreten?

SUTTNER: Außer der römisch-katholischen Kirche waren alle jene östlichen Kirchen vertreten, die die sieben ökumenischen Konzilien anerkennen und die miteinander die panorthodoxen Beratungen führen.

FURCHE: Wieviele orthodoxe und wieviele katholische Theologen nahmen daran teil?

SUTTNER: Die Kommission bestand aus 30 orthodoxen und 30 katholischen Bischöfen und Theologen.

FURCHE: Was geschah auf Patmos und warum übersiedelte man nach Rhodos?

SUTTNER: Auf Patmos fand die feierliche Eröffnung statt. Für die Beratungen wäre das Kloster auf Patmos zu klein gewesen. Auf Rhodos gab es dann die gemeinsamen Beratungen und Gottesdienste.

FURCHE: Was bringt die Orthodoxie in die Einigkeitsbestrebungen ein?

SUTTNER: Das Zweite Vatikanum hat erklärt, daß von Anfang an das geistliche Erbe, das von Christus kommt, unterschiedlich aufgenommen und weitergegeben wurde. Wenn nun die Orthodoxie das einbringt, was sie gehütet hat, ist dies ein seit den Aposteln eigenständiges Erbgut der christlichen Offenbarung.

FURCHE: Gibt es bereits irgendein Ergebnis?

SUTTNER: Vor allem mußte die Verfahrensfrage geklärt werden. Es wurde eine Geschäftsordnung gefunden. Das war ein starkes Stück Arbeit.

FURCHE: Wie wird es weitergehen?

SUTTNER: Zunächst gilt es, ein theologisches Denkmodell zu finden, das nicht die herkömmlichen, durch Streitfragen der Vergangenheit in Mißkredit gebrachten Züge der bisherigen katholischen und orthodoxen Lehrbücher aufweist. Dann erst kann man in der neu geschaffenen Sprechweise die Einheitsfragen gemeinsam zu lösen beginnen.

FURCHE: Wie macht man das konkret?

SUTTNER: Wir haben drei Unterkommissionen eingesetzt, die sofort entsprechende Vorarbeiten aufnehmen sollen. Es ist in ihr Ermessen gestellt, wann und wo sie sich treffen bzw. welchen Teil ihrer Arbeiten sie auf schriftlichem Weg leisten. Die ersten Zusammenkünfte der drei Gruppen finden im Oktober in Chevetogne in Belgien, im Jänner in Rom und im April in Opole in Schlesien statt. Bis Mai 1981 sollen sie ihre Ergebnisse der Koordinierungskommission einreichen. Diese besteht aus acht Mitgliedern beider Seiten. Sie trägt die Verantwortung für den Fortgang der Arbeiten und wird im Mai 1981 in Venedig zusammentreffen, um das bearbeitete Material zu sichten. Sie wird prüfen, was noch zu erfolgen hat, damit die nächste Vollversammlung, die in zwei Jahren vorgesehen ist, gut gelingen kann.

FURCHE: Warum hat man ständig wechselnde Tagungsorte gewählt?

SUTTNER: Die Tagungsorte liegen so weit auseinander, da der Dialogkommission Mitglieder aus allen fünf Erdteilen angehören. Darum ist es erforderlich, die Treffen so anzusetzen, daß die Anreisewege möglichst kurz ausfallen.

FURCHE: Sind Sie, Herr Professor, Mitglied einer Kommission?

SUTTNER: Ich gehöre jener Unterkommission an, die in Opole zusammentreffen wird. Ich bin auch Mitglied der Koordinierungskommission.

FURCHE: Wie steht die Kirche von Griechenland zur Ökumene? Sie hat sich doch stets sehr reserviert verhalten.

SUTTNER: In der Kirche von Griechenland gibt es Reserven gegenüber dem Dialog. Die Orthodoxie hat die Panorthodoxe Synode - die etwa mit dem Konzil der katholischen Kirche vergleichbar wäre - noch nicht abgehalten. Dadurch ist eine klare Antwort auf die ökumenischen Fragen noch nicht gegeben. Die meisten orthodoxen Kirchen sind allerdings ökumenisch sehr aufgeschlossen. Die Kirche von Griechenland erweckt manchmal den gegenteiligen Eindruck. Es gibt aber genügend griechische Theologen, die sich für eine Ökumene aufgeschlossen zeigen.

FURCHE: Kann man gemeinsam Eucharistie feiern, ohne die theologischen Differenzen beigelegt zu haben?

SUTTNER: Nein. Gemeinsame Eucharistie heißt, volle Gemeinschaft in Jesus Christus haben. Wenn wir uns aber in der Wahrheit nicht nahe sind, wäre die gemeinsame Eucharistie ein Widerspruch.

FURCHE: Haben Sie also Hoffnung?

SUTTNER: Die Frage ist: Sind die Differenzen, die zwischen uns bestehen, echte theologische Widersprüche oder handelt es sich bloß um verschiedene Sichten von ein und der selben Wahrheit, um Sichten, die nebeneinander berechtigt sind und eigentlich gar keinen Grund abgäben, die Kommuniongemeinschaft zu unterbrechen? Wenn die echten Widersprüche ausgeräumt sind - nebenbei bemerkt, ich persönlich bin fest überzeugt, daß es solche gar nicht gibt - steht der gemeinsamen Kommunion nichts mehr im Weg. Ich sehe reale Chancen, daß der Dialog gelingt. Es wäre sonst auch nicht einberufen worden. Doch besteht jetzt am Anfang noch keine Sicherheit.

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