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Kritisch und progressiv

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Obwohl zahlenmäßig stärkste Minderheit, ringen burgenländische Kroaten noch immer um ihr Selbst-verständnis. Das folgende Gespräch vermittelt die Sicht kroatischer Jungakademiker.

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Obwohl zahlenmäßig stärkste Minderheit, ringen burgenländische Kroaten noch immer um ihr Selbst-verständnis. Das folgende Gespräch vermittelt die Sicht kroatischer Jungakademiker.

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FURCHE: Herr Tyran, Sie sind Präsident des Kroatischen Akademikerklubs. Wann ist der Klub gegründet worden und wie schätzen Sie dessen Beitrag zur kulturellen Entfaltung der burgenlän-dischen Kroaten ein?

PETER TYRAN: Der Kroatische Akademikerklub wurde 1948 von burgenländisch-kroatischen Studenten in Wien gegründet. In seiner politischen Zielsetzung fühlte sich der Klub immer als eine Art Avantgarde. Eines seiner wesentlichen Anliegen war und ist die Erhaltung der burgenlän-dischkroatischen Sprache und damit auch der kulturellen Identität dieser Volksgruppe sowohl im Burgenland als auch in Wien.

Aus den Reihen des Kroatischen Akademikerklubs ist eine beachtliche Zahl von Literaten, Sprach- und sonstigen Wissenschaftern hervorgegangen.

FURCHE: Können Sie uns etwas über das Problem der zweisprachigen Schule in Burgenland sagen?

TYRAN: Das größte Problem betreffend die zweisprachigen Schulen in Burgenland ist das Schulgesetz von 1962, in dem die vier Klassen Oberstufe der Volksschule in die Hauptschule übernommen wurde. Für diese vier Klassen wurde keine Regelung getroffen betreffend des zweisprachigen Unterrichtes. Geblieben ist die Rumpf volksschule mit vier Schulstufen, in denen laut Schulgesetz von 1937 bei einem Anteil von 70 Prozent kroatischer Schüler der Unterricht in kroatischer Sprache zu erfolgen hätte, bei 30—70 Prozent zweisprachig, und unter 30 Prozent kroatischer Kinder je nach Bedarf.

Die Wirklichkeit sieht leider so aus, daß im besten Falle 2—3 Stunden wöchentlich auch an solchen Schulen unterrichtet wird, in denen der kroatische Anteil an Schulern mehr als 70 Prozent beträgt.

Was die Hauptschulen betrifft, gibt es gegenwärtig an acht Höheren Schulen die Möglichkeit Kroatisch als Freifach zu wählen. In den meisten Fällen werden diese Unterrichtsstunden am späten Nachmittag angehängt. Diese ungünstige Situation hat dazu geführt, daß viele Eltern ihre Kinder von diesen Stunden abgemeldet haben. Umso verständlicher, wenn man weiß, daß die meisten dieser Kinder aus den verschiedensten Dörfern in diese Schulzentren anreisen.

FURCHE: Oft spricht man im Zusammenhang mit der Schulfrage über die kroatischen Kindergärten in Burgenland. Gibt es derzeit kroatische Kindergärten in Burgenland?

TYRAN: Dies ist wohl eines unserer brennendsten Probleme. In den kroatischen Dörfern des mittleren Burgenlandes ist mit Hilfe der jeweiligen Kommunalpolitiker eine relativ zufriedenstellende Lösung gefunden und teilweise beibehalten worden. Aber in den beiden anderen Landesteilen, vor allem in sozialistisch dominierten Gemeinden, konnte weder der

Kroatische Akademikerklub noch andere kroatische Organisationen einen bemerkbaren Erfolg verbuchen.

Aber besonders bei jüngeren sozialistischen Parteifunktionären macht sich doch eine tolerantere Haltung bemerkbar. Zuerst weil sie ja auch Angehörige der kroatischen Volksgruppe in Burgenland sind und nicht zuletzt deshalb, weil sie den Wert erkannt haben, der in der Zweisprachigkeit liegt und daß die Zugehörigkeit zu zwei Kulturkreisen eine große Bereicherung für jeden einzelnen ist.

FURCHE: Können Sie uns etwas über das Verhältnis des

„Prinzipiell suchen wir eine Zusammenarbeit mit . anderen Organisationen“

Kroatischen Akademikerklubs zu den politischen Parteien in Burgenland sagen?

TYRAN: Der Kroatische Akademikerklub hat sich immer als überparteiliche Organisation der Burgenländischen Kroaten gesehen und gedenkt es weiterhin zu bleiben. Eben deshalb hat der Kroatische Akademikerklub es nie verabsäumt, den beiden großen Parteien in Burgenlarid gegenüber, aber auch bundesweit eine kritische Stellung einzunehmen, weil wir im Klub der Meinung sind, daß beide Parteien es verabsäumt haben, die sprachliche Situation unserer Volksgruppe zu verbessern und wir dadurch in der Folge nicht wieder gutzumachende Schäden erlitten haben.

FURCHE: Welche Position bezieht der Kroatische Akademikerklub zum Thema Volksgruppenbeirat?

TYRAN: Der Klub hat immer eine sehr kritische Stellung gegenüber dem Volksgruppenbeirat eingenommen. Dennoch sehen wir es als eine Notwendigkeit, in diesem beratenden Gremium vertreten zu sein, denn wichtige Impulse betreffend die Burgenlän-dischen Kroaten sind bis jetzt vom Klub ausgegangen und werden es auch weiterhin.

Auch deshalb wäre es eine Bereicherung und unumgängliche Notwendigkeit für den Bundeskanzler, auch den Klub in den Volksgruppenbeirat zu berufen.

FURCHE: Wie ist das Verhältnis der kroatischen Jungakademiker zu anderen kroatischen Organisationen in Burgenland?

TYRAN: Wie schon eingangs erwähnt, sieht sich der Kroatische Akademikerklub als eine Art Avantgarde in Volksgruppenfragen. Als Organisation mit dem Ziel zur Erhaltung der burgenlän-disch-kroatischen Volksgruppe beizutragen, haben wir vielleicht einen progressiveren Weg eingeschlagen, ähnliche oder dieselben Ziele zu erreichen wie die anderen kroatischen Organisationen. Prinzipiell suchen wir eine gute Zusammenarbeit mit den anderen Organisationen. Dies ist uns mit einer Ausnahme auch gelungen.

Peter Tyran ist Vorsitzender des Kroatischen Akademikerklubs in Wien. Mit Peter Tyran sprach Alexander Orssich.

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