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Völker im Volke Österreichs

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Um das kroatische Volkstum des Burgenlandes zu erhalten, bedarf es nicht zuletzt entsprechender Schulen und der Ermöglichung der Pflege des Kroatischen im kulturellen wie im öffentlichen Leben. Noch von der ungarischen Zeit her war das Schulwesen bis 1937 im wesentlichen konfessionell (Religionsgemeinschaften als Schulerhalter). Ungarn hatte bis zum Jahre 1907 (Lex Apponyi) in den Kroatendörfern Westungarns die kroatische Unterrichtssprache in den Pflichtschulen aufrechterhalten. Ihre Beseitigung in der Zeit von 1907 bis 1921 wirkte sich nicht allzu nachteilig für die Kroaten aus, zumal es noch immer kroatische Volksschulen im Gebiet des heutigen Burgenlandes gab (1921: 45 kroatische Volksschulen mit 114 Klassen). Österreich führte 1922 unverzüglich die kroatische Unterrichtssprache in allen Gemeinden ein, die dies wünschten. Noch mehr wurde mit dem nach der Unterbrechung des Dritten Reiches heute wieder geltenden burgenländischen Landesschulgesetz von 193718, einem vorbildlich minderheitenfreundlichen Gesetz aus der Ständestaatsära, das Kroatische als Schul- und Unterrichtssprache untermauert.

Derzeit (1964/65) gibt es“ 40 öffentliche Volksschulen mit Kroatisch als zweiter Unterrichtssprache (zumeist bis einschließlich der 4. Klasse, während in der 5. Klasse nur noch Deutsch Unterrichtssprache ist). Sie werden von 2470 Schülern kroatischer Muttersprache besucht (die Zahl der Schüler mit deutscher Muttersprache beträgt 24.684, so daß der Bevölkerungsanteil der Kroaten bei der Pflichtschuljugend ungefähr dem allgemeinen Landesdurchschnitt entspricht, was eher eine Erhaltung des Volksbestandes erhoffen läßt.

Der Siegendorfer Schulstreit

Da die Kroaten selbst keine rein kroatischen Schulen wünschen — und wegen der Notwendigkeit, sich in einem rein deutschsprachigen Staat beruflich durchzusetzen, auch nicht wünschen können —. ist der Österreich im Staatsvertrag von 1955 auferlegten Verpflichtung zur Führung öffentlicher Minderheitsschulen der Burgenlandkroaten entsprochen. Allerdings geht dies nicht ganz ohne Reibungen vor sich, wie der Siegendorfer Schulstreit zeigt. Dieser Schulstreit entbrannte 1963 deshalb, weil burgenländische Eltern deutscher Zunge in der gemischtsprachigen Gemeinde Siegendorf den Zwang zur Erlernung der Minderheitssprache ablehnten und letztlieh die Beseitigung der kroatischen Unterrichtssprache auch für kroatische Schulpflichtige forderten. Der aus der kroatischen Volksgruppe kommende, ihr heute aber nicht mehr zuzurechnende Nationalratsabgeordnete Friedrich Robak (früher Bürgermeister von Steinbrunn, SPÖ) äußerte in diesem Zusammenhang sogar, daß das burgenländische Kroatische ein wortarmer Dialekt sei, der keine Existenzberechtigung habe20.

Die Burgenlandkroaten wandten sich heftigst gegen diese Behauptung21 und forderten im Gegenteil einen Schutz der kroatischen Unterrichtssprache in den Pflichtschulen der Kroatendörfer vor der Schulsprachenbestimmung durch die Elternschaft und die Lehrerschaft (die heute darüber entscheiden). Politische Aspekte liegen diesem noch immer fortdauernden Streit zugrunde, da die volksbewußten Burgenlandkroaten überwiegend der ÖVP angehören und religiös verankert sind, während im Burgenland (zum Unterschied von Kärnten) die SPÖ eine Schmelztiegel-Theorie vertritt.

Entgegen der staatsvertraglichen Verpflichtung (Art. 7 StV. 1955) ist das Kroatische bei den Gerichten des Burgenlandes bisher nicht als Ver-handlungs- und Eingabensprache zugelassen, wobei auch Richter, die des Kroatischen voll mächtig sind, zwar mit einschreitenden Parteien außerhalb der Verhandlung in ihrer Muttersprache sprachen beziehungsweise sprechen, nicht jedoch in der Verhandlung, da Artikel 7 StV. 1955 nicht unmittelbar anzuwenden (nicht self-executing) sei, vielmehr ein Ausführungsgesetz erlassen werden müsse. Dieser u. E. unzutreffende Rechtsstandpunkt wird jedoch vom Obersten Gerichtshof in Abweichung von einer früheren Entscheidung2* für das Burgenland vertreten2“. Auch in der Verwaltung wird nur die deutsche Sprache als Sprache der Eingaben, Anträge und Erledigungen zugelassen. Ein bei der Bezirkshauptmannschaft Güssing anhängig gemachter Fall des Begehrens auf Zulassung des Kroatischen (Reseta-rits) wurde — leider — nicht ausgetragen, so daß man nur von dem tatsächlichen Zustand, nicht aber von irgendwelcher Judikatur ausgehen kann.

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