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„Immer mehr Bewußte“

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„Im vorigen Jahr wurde eine Untersuchung des Instituts für empirische Sozialfprschung über die Lage der burgenländischen Kroaten durchgeführt Auf die Veröffentlichung der Ergebnisse wartete man vergeblich, denn der Auftraggeber, die Bürgermeisterkonferenz, wollte die Zahlen und die daraus zu ziehenden Schlüsse wahrscheinlich deswegen nicht bekanntgeben, weil sie nicht ihren Erwartungen entsprachen und sich für die Verfolgung ihrer Ziele und Zwecke als unbrauchbar erwiesen.

Jene Burgenländer, die der Meinung waren, die Kroaten im Burgenland sollten eine eigene Vertretung haben, wurden gefragt, wie diese Vertretung beschaffen sein sollte. Es gab drei Möglichkeiten: Entweder eine eigene kroatische Partei, einen Verein der Kroaten oder kroatische Politiker in den Parteien. Wenn man nun jene 10 Prozent der „Weiß-nicht“-Antworten ausschließt, so entschieden sich 58 Prozent der Befragten (inklusive der rein deutschsprachigen) für die Politiker, 32 Prozent für einen Verein und nur 10 Prozent für eine eigene kroatische Partei. Wenn man aber nun die Antworten jener betrachtet, für die ja dieses Problem die größte Bedeutung hat, nämlich die Mitglieder der rein kroatischen Familien, ergibt sich ein anderes Bild. Hier sind 57 Prozent für einen Verein der Kroaten, 39 Prozent für kroatische Politiker und 4 Prozent für eine Partei.

Daraus kann eindeutig geschlossen werden, daß die direkt Betroffenen ihre Interessen am besten durch einen kroatischen Verein vertreten und gewahrt sehen und erst dann durch die Politiker. Bei den Maturanten und den Hochschülern ist diese Ansicht

noch stärker vertreten: Zwei Drittel sprechen sich für einen kroatischen Verein aus und nur ein Drittel für die Politiker als Vertretung.

Eine Schlüsselfrage war auch, welche Umgangssprache es ihrer Meinung nach in den Kindergärten der kroatischen Gemeinden geben sollte. Das Kindergartenalter ist entscheidend für die Entwicklung eines Menschen und prägt diesen außerordentlich. Wichtig ist diese Frage auch deshalb, weil das neue Kindergartengesetz des Burgenlandes keine Rücksicht auf diese Problematik nimmt und nur Deutsch als Umgangssprache relevant ist. So gibt es auch in fast rein kroatischen Gemeinden nur deutschsprechende Kindergärtnerinnen, was ein bezeichnendes Licht auf die Personalpolitik und die Einstellung der Verantwortlichen wirft

Von allen befragten Burgenländern (inklusive der deutschsprechenden) waren 2 Prozent für nur Kroatisch, 38 Prozent für Kroatisch und Deutsch, 12 Prozent für jene Sprache, für die sich die Mehrheit der Eltern entscheidet (also kann auch hier für Kroatisch votiert werden), der Rest wußte es nicht oder hatte keine bestimmte Meinung. Noch klarer kommt dies bei den burgenländischen Kroaten selbst zum Vorschein, wo mehr als die Hälfte für Kroatisch oder Kroatisch und Deutsch, und jene Sprache, für die die Mehrheit der Eltern sich entscheidet, stimmten (nämlich 58 Prozent) und nur etwas mehr als ein Drittel nur für Deutsch.

Ähnlich verhält es sich mit der Unterrichtssprache in den Volksschulen. Auch hier ist mehr als die Hälfte der kroatischen Burgenländer für einen zweisprachigen Unterricht und etwa ein Drittel für nur deutschen.

Daß ein Gymnasium nur für kroatische Kinder und nur in kroatischer Sprache gelinde gesagt töricht ist, zeigen die Antworten. Denn niemand will in eine Ghettosituation gedrängt werden und ebenso will niemand von den burgenländischen Kroaten, die sich alle als Österreicher bekennen, seine Kinder nur in einer Sprache unterrichten lassen, die nur etwa ein halbes Prozent aller Österreicher spricht. Wer sollte denn dann diese Kinder Deutsch lehren, die Sprache der Österreicher? Wo könnten sie in Österreich eine Anstellung bekommen oder einen Beruf ausüben oder gar sich weiterbilden ohne Kenntnisse der deutschen Sprache? Diese wenigen Beispiele, die sich noch beliebig fortsetzen ließen, zeigen klar, daß diese Frage völlig am Problem vorbeigeht.

Obwohl ein Teil der Kroaten die Integration in die deutschsprachige Umgebung erwartet, macht sich doch eine Gegenbewegung stark bemerkbar, die von den Jungen und von den Höhergebildeten getragen wird. So sind 15 Prozent der Jungen und 25 Prozent der Höhergebildeten davon übrezeugt, daß das Selbstbewußtsein der burgenländischen Kroaten zunehmen wird. Nicht außer acht lassen darf man auch, daß ein Drittel jener, die die Integration erwarten, diese Entwicklung als schlecht ansehen; bei den Jungen steigt dieser Prozentsatz auf 48 Prozent und bei den Höhergebildeten gar auf 80 Prozent. Generell kann man also sagen, daß die Tendenz gegen die Integration immer stärker wird, und daß die Zahl von bewußten Kroaten immer größer wird. Da diese bewußten Kroaten hauptsächlich Junge und Höhergebildete sind, und diese einen verstärkten Einfluß auf ihre Umgebung haben, kann darauf geschlossen werden, daß die Tendenz zur Assimilation immer schwächer und jene zur Hebung des Bewußtseins der Kroaten immer stärker werden wird.“

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