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Der zweitschönste Mann Österreichs — nach dem obersten ORF-Menschen Oberhammer —, der bur-genländische handesjürst Theodor Kery, befand am ersten Tag dieses Wonnemonds in geziemender Festesstimmung, daß „buchstabengetreue Erfüllung des Staatsvertrages“ nicht so wichtig sei, als die „Erhaltung des inneren Friedens“. Dem einstigen Lehrer müßte eigentlich das Lateinwort „Pacta sunt servanda“ ebenso geläufig sein, wie dem Politiker die Erkenntnis, daß es zwischen „buchstabengetreuer Erfüllung des Staats-

Vertrages“ und der „Erhaltung des inneren Friedens“ keinen Gegensatz gibt, geben kann und geben darf. — Wenn es je ' einen geben sollte, so wird er von jenen konstruiert, die weder den Staatsvertrag noch den inneren Frieden ehrlich wollen.

Aber das ist die ekelhafte Kehrseite unserer Quantitätsdemokratien: die Politiker gehen auf den Strich der Wählergunst, verkaufen und verraten Gesinnung und Anstand, geben sich zu jedweder Perversität her, nur um am Wahltag ein paar Stimmen mehr an Liebeslohn für ihre Partei kassieren zu können. — Und Wahltag ist verhältnismäßig bald im Burgenland.

Des Landeshauptmannes Buhlen um die Wählergunst der sogenannten „Nationalen“ (Deutsch- nicht österreichischnationalen!) stellt eine etnste Gefährdung des inneren Friedens und der äußeren Sicherheit Österreichs dar: Denn was sollen Signatare des Staatsvertrages von der Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit Österreichs als Vertragspartner halten, wenn „buchstabengetreue Erfüllung“ des Staatsver-tfages noch mehr als zwanzig Jahre nach dessen Abschluß auf sich warten läßt und ein führender österreichischer Politiker es nunmehr gar wagte, sie expressis verbis in Zweifel zu stellen?

Hätten Raab oder Figl, Schärf oder Kreisky dermalen solche Töne, die vielleicht an den Mattersburger Stammtisch passen, am Verhandlungstisch zu Moskau verlauten las-, sen, wären sie gewiß ohne Staatsvertrag nach Hause gekommen, und ein wichtiger Schritt zum inneren Frieden ließe noch auf sich warten.

Der unverantwortliche Zungenschlag Theodor Kerys liegt indes exakt auf der jahrzehntelang verfolgten Linie seiner Partei im Burgenland, die eine möglichst totale Assimilierung des Kroatentums mit der deutschsprechenden Bevölkerung anstrebt. Protagonist dieser „Parteilinie“ ist ein Politiker, von dem eine treffliche Formulierung stammt, die als Schlüssel zur Lösung des Minderheitenproblems im Burgenland dienen kann: Er nannte die burgenländischen Kroaten: „kroatisch sprechende Burgenländer österreichischer Nationalität“.

Dennoch unternimmt jener hervorstechende Ämterkumulierer Fritz Robak — Bürgermeister der Kroatengemeinde Steinbrunn-Zülingtal, Vorsitzender der ominösen „Bürgermeisterkonferenz der kroatischen und gemischtsprachigen Gemeinden“, Wasserleitungsverbandsvorstand und bis vor kurzem auch noch Abgeordneter zum Nationalrat — alles, damit immer mehr „kroatisch sprechende Burgenländer österreichischer Nationalität“ deutsch sprechen: Er selbst wertet in der Öffentlichkeit seine und seiner Landsleute Muttersprache als „Dialekt“ ab und bedient sich ostentativ des deutschen Idioms, das er freilich nur äußerst dialekthaft beherrscht, woraus ihm kein Vorwurf gemacht werden soll.

Robak und seine Mitbürgermeister decken ihren Landeshauptmann, indem sie lautstark erklären, was die Kroaten im Burgenland wollen oder nicht. In Wahrheit wird den Kroaten von diesen ihren „Vertretern“ nachdrücklich nahegelegt, was sie wollen sollen oder nicht. Dazu zählen auch die zweisprachigen Ortstafeln, die Kreisky mit Verzögerung aufstellen lassen will, Kery aber ablehnt.

Der Sonnenkönig hat jedoch dem Landesfürsten widersprochen: So bleibt zu hoffen, daß staatspolitische Weisheit parteipolitischer Vnweis-heit obsiegt.

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