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So ist das gesunde Volksempfinden

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Nach Oberwart und Stinatz häuften sich Solidaritäs-und Toleranzbekundungen gegenüber Minderheiten. Umfragedaten sprechen leider eine andere Sprache.

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Nach Oberwart und Stinatz häuften sich Solidaritäs-und Toleranzbekundungen gegenüber Minderheiten. Umfragedaten sprechen leider eine andere Sprache.

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Minderheiten haben in der österreichischen Öffentlichkeit keineswegs jene Beliebtheit, die man nach den Beaktionen in den Medien und der Politik auf die Bombenattentate vermuten könnte. Das hat vor kurzem Franjo Schruiff (siehe Beitrag oben) festgehalten und mit Ergebnissen von Meinungsumfragen belegt. Der Grüne Minderheitenreferent ist der Ansicht, daß jene Ergebnisse, die das Meinungsforschungsinstitut „ Fessel & GFK bereits 1990 in bezug auf die Haltung der Österreicher gegenüber den Volksgruppen erhoben hat, schon damals Alarmstimmung hätten auslösen müssen. 1990 antworteten auf die Frage, ob in den Volksgruppen eine Bereicherung für Österreich zu sehen sei, nur 23 Pro-

zent der Befragten eindeutig mit Ja. Hingegen verneinten 27 Prozent diese Auffassung, 49 Prozent waren ohne Meinung oder unentschlossen. Bei Facharbeitern und Arbeitern glaubten gar nur neun beziehungsweise sieben Prozent an eine Bereicherung durch die Volksgruppen.

Gallup hat erhoben, daß etwa 20 bis 30 Prozent der Österreicher noch immer antisemitischen Ideen nachhängen, 19 Prozent glauben, es wäre für Österreich besser, gäbe es überhaupt keine Juden im Land. Die neuesten Ergebnisse einer Gallup-Umfrage über die Haltung der Österreicher zu den Minderheiten sind der nebenstehenden Grafik zu entnehmen.

Keinen Groschen übrig

Schruiff in diesem Zusammenhang wörtlich: „Die negative Haltung eines derart großen Teiles der Bevölkerung gegen alles Fremde läßt sich in weiterer Folge auch in der Haltung gegenüber den autochthonen Minderheiten wiederfinden. Für eine finanzielle Förderung der Kultur und Sprache von Minderheiten können sich nur 30 Prozent erwärmen, während 42 Prozent der Öster-

reicherinnen und Österreicher keinen Groschen für die Volksgruppen ausgeben wollen. Einzig und allein bei den Maturanten und Akademikern findet sich eine Mehrheit für die Förderung der Volksgruppenkulturen.”

Die meisten Volksgruppenorganisationen, so Schruiff, seien nun den Weg einer Abgrenzung von allem, was mit Ausländern zu tun habe, gegangen, „um der verbreiteten Ausländerfeindlichkeit auszuweichen ”. Die Attentate von Oberwart und Stinatz haben jedoch gezeigt, daß das nichts nütze. „Den rechten Terroristen geht es nicht um die Staatsbürgerschaft, sondern um das Deutschtum”, so Schruiff. „Die Bekennerbriefe der ,Bajuwarischen Befreiungsarmee' sprechen eine klare Sprache. Wer nicht germanischarisch ist, hat in Österreich nichts verloren. Die ständigen Sprüche vom vollen Boot/vom Aufnahmestop, die unmenschlichen Ausländergesetze und der unglaubliche Zynismus der Behörden im Umgang mit Verfolgten und Flüchtlingen haben ihres dazu beigetragen, daß Fremdenfeindlichkeit in Österreich so salonfähig wie schon lange nicht mehr wurde.' Schruiff fügt hinzu: „Dieser

Fremdenfeindlichkeit und vor allem der dumpfen Angst vor Ausländern geht es schon lange nicht mehr um ausländische Staatsbürger. Mit so einer begrifflichen Schärfe arbeitet nur das Gesetz. ,Das gesunde Volksempfinden', nach dem sich heute immer mehr Politiker so gerne richten, arbeitet mit anderen Erkennungsmerkmalen: mit dem Äußeren, mit der Sprache, der Beligion und der Kultur.”

Alltägliche Diskriminierung

Daß diese Fremdenfeindlichkeit nicht aus dem Nichts kommt, versucht Schruiff mit der alltäglichen

Diskriminierung und Verspottung von Minderheiten zu erklären. Slowenen seien schon immer „zurück über den Loibl” und Kroaten „zurück auf den Balkan” gewünscht worden. Borna und Sinti hätten wie Juden oft zu hören bekommen, daß „der Hitler Fehler gemacht hat, nicht gleich alle zu vergasen”. „Wie gefährlich diese alltäglichen Angriffe und Verbalattacken auch immer waren”, so Schruiff im Gegensatz zu Michael Sika (siehe oben), niemand hätte bisher erwartet, daß sie zu Morden führen würden. Und dennoch sind es gerade diese Angriffe gewesen, die die Bomben im Burgenland erst ermöglichten.

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