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Herr Karl und der „Tschusch“

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Des einen Slowene ist des anderen „Tschusch“ — zu diesem Ergebnis gelangte eine Meinungsbefragung der Sozialwissenschaftlichen . Studiengesellschaft schon vor einiger Zeit, die den Zweck hatte, die Einstellung der Österreicher zu Minderheitenproblemen zu erkunden. Dabei erwies sich, daß die Österreicher in diesem Zusammenhang ein ausgezeichnetes Gewissen haben, denn fast 80 Prozent der Befragten fanden, es gehe den Minderheiten in Österreich besser oder mindestens ebensogut wie in anderen westeuropäischen Ländern. Aber es zeigte sich auch, daß die

Österreicher sehr wenig Grund zu einem guten Gewissen haben.

Denn offenbar hätte das, was der Ortstafelkrieg in Kärnten zum Ausbruch brachte, auch anderswo in Österreich geschehen können: Nur 11 Prozent der Österreicher sind der Meinung, man solle Minderheiten gegenüber besonders großzügig sein, 61 Prozent bekennen sich zum Grundsatz, daß man nur gerecht sein sollte und nicht mehr. 23 Prozent sind der Meinung, eine Minderheit solle sich einfügen und brauche keine besonderen Rechte.

Dabei ist der Unterschied zwischen Kärnten und den übrigen Bundesländern so gering, daß es kaum ins Gewicht fällt.

Signifikanter sind die Bundesländerunterschiede bei dem Problem, ob Minderheiten in Österreich besser, schlechter oder ebensogut behandelt werden wie anderswo. Hier zeigt sich mit größter Deutlichkeit, wie wieder einmal Intoleranz mit Selbstgerechtigkeit Hand in Hand geht:

• Während im Burgenland nur 30 Prozent meinen, daß Minderheiten in Österreich besser als anderswo behandelt werden, glaubten ausgerechnet in Kärnten nicht weniger als 42 Prozent Grund zu dieser Ansicht zu haben (gegenüber 39 Prozent im übrigen Österreich).

• Gegenprobe: Im Burgenland, wo man einerseits ebenfalls Minderheitenprobleme hat, anderseits aber auch (durch die gewaltige Auswanderung) starken Kontakt zu Landsleuten, die in fremder Umgebung leben, meinen 15 Prozent (in Kärnten nur 6 Prozent), daß es Minderheiten in Österreich schlechter gehe als anderswo, während 49 Prozent im Burgenland und 41 Prozent in Kärnten keine Unterschiede sahen oder sehen wollten.

• Eine erstaunliche Selbstsicherheit drückt sich auch darin aus, daß in Kärnten 46 Prozent (!) der Ansicht sind, den Kärntner Slowenen gehe es besser als den Südtirolern — 26 Prozent nahmen gleiche, nur 7 Prozent schlechtere Behandlung an.

• Dabei waren die Männer wesentlich öfter als die Frauen (51 zu 42 Prozent) von der Besserstellung

der Slowenen gegenüber den Südtirolern überzeugt, besonders zufrieden mit dem Schicksal der Kärntner Slowenen im Vergleich zu den Südtirolern zeigten sich hier die leitenden Angestellten.

Während die Meinungsstruktur in dieser Frage nur geringe Unterschiede zwischen den Angehörigen der beiden Großparteien aufweist, war das Ergebnis hinsichtlich der FPÖ- und der KPÖ-Mitglieder fast zu erwarten gewesen. Die Anhänger der FPÖ sind außerordentlich häufig davon überzeugt, daß es den Angehörigen von Minderheiten in Österreich besser geht als anderswo, nämlich zu 61 Prozent gegenüber 36 (KPÖ), 33 (ÖVP), 40 (SPÖ) und 34 Prozent bei den Nichtengagierten. Die Anhänger der KPÖ hingegen äußerten in dieser Beziehung den parteioffiziellen Pessimismus, wenn sie zu 27 Prozent Schlechterstellung der Minderheiten in Österreich vermuten — gegenüber 4 (FPÖ), 7 (ÖVP), 9 (SPÖ) und 6 (Nichtengagierte).

Immerhin sind bei den Österreichern Ansätze zu einem gewissen Maß an Selbstkritik sichtbar. Während 47 Prozent ihre bisherige Meinung über die Toleranz der Österreicher keiner Überprüfung unterzogen, erklärten 29 Prozent der in ganz Österreich Befragten, die Österreicher seien „nicht so tolerant, als ich gedacht habe“ — und nur 12 Prozent, die Österreicher seien „toleranter, als ich gedacht habe“.

Auch hier waren, wie denn auch anders, die Männer mit 14 gegenüber 9 Prozent mit den Österreichern und damit wohl mit sich selbst wesentlich häufiger zufrieden als die Frauen — Frau Karl ist nicht ganz so verbreitet wie Herr Karl. Dafür sagt Frau Österreicherin wesentlich häufiger „Weiß nicht“.

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