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Meine Erfahrungen im zweiten Weltkrieg

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Gestatten Sie, daß ich Ihnen mitteile, wie sehr mir die tiefsinnige, feine und doch offene Behandlung eines so heiklen Themas, wie es das für die Geschichte Oesterreichs schon seit jeher bedeutsame Sprachenproblem ist, in dem Aufsatz von Doz. Dr. Menninger-Lerchen- thal „Oesterreich und die Slowenen“ („Furche“ Nr. 37 vom 11. September 1954) gefallen hat. Auf Grund von Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg wünschte ich zutiefst, die darin dargelegten Gedankengänge möchten recht bald Gemeingut aller Europäer werden. Was der Verfasser als Voraussetzung für eine gerechte Beurteilung des Sprachenproblems anführt, nämlich die Wahrheit, führt dann ganz von selbst zur Gerechtigkeit, die doch wieder nur in der gegenseitigen Achtung und Duldung liegen kann.

Vielleicht darf ich dazu das persönliche Erlebnis anführen. Ich wurde im letzten Weltkrieg zu einer kroatischen Ausbildungseinheit als Ausbildner kommandiert ohne selbst auch nur ein Wort irgendeiner slawischen Sprache zu können. Zweieinhalb Jahre verbrachte ich dabei in den Garnisonen Stockerau und Neusiedl am See, bis ich dann an die Westfront abgestellt wurde. Schon allein die Tatsache, daß man Leute ohne entsprechende Sprachkenntnisse dorthin schickte, ist bezeichnend. Die jungen Kroaten stammten zu einem großen Teil aus Bosnien, und ihre Väter hatten in der altösterrcichischen Armee gedient, wovon die. Söhne noch erzählten. Soweit es sich nicht um Maturanten mit oft erstaunlich guten deutschen Sprachkenntnissen handelte, versuchten die Leute, schnell einigermaßen Deutsch zu lernen, was bei den meisten auch zu gewissen Erfolgen führte, da die Slawen anscheinend wirklich über ein gewisses Sprachentalent verfügen. Das deutsche Ausbildungspersonal stammte fast nur aus Deutschland und nicht aus Oesterreich; eine Auswahl von besonders geeigneten Leuten hatte offensichtlich nicht stattgefunden. Bei der weitaus überwiegenden Mehrheit der Mannschaften und auch der Offiziere herrschte ausgesprochene Abneigung, etwas Kroatisch zu lernen. Viele lehnten eine derartige „Zumutung“ entrüstet ab, und gelegentlich waren Bemerkungen zu hören, wie; „Wenn sie etwas von uns wollen, sollen sie Deutsch lernen. "Als viel zu spät ein recht bescheidener kroatischer Sprachkurs befohlen wurde, der auf Grund der äußeren Aufmachung, vor allem des Zusammenfassens von mehr als 100 Leuten in einem Kursraum, wenig Erfolg versprach, blieb es bei den meisten bei der blofien Anwesenheit. Etwas zu lernen, hielten die meisten für vollkommen überflüssig. Ich hatte nun schon viel früher, gemeinsam mit einigen anderen und teilweise allein, begonnen, etwas Kroatisch zu lernen. Ich wollte wenigstens die wichtigsten Alltagsdinge auf Kroatisch sagen können. Die bescheidenen Kenntnisse, die ich mir damals angeeignet habe, sind heute so ziemlich wieder vergessen, leisteten mir aber damals große Dienste. Während jene, die vom

Kroaten — in gleicher Weise vom Maturanten wie vom Stallburschen — nur deutsche Antworten verlangten, Zusammenstöße geradezu provozierten, wobei natürlich der kroatische Rekrut oft laute Vorwürfe wegen seiner mangelnden Sprachbeherrschung einstecken mußte, merkte ich eine deutliche Aufgeschlossenheit der Kroaten, sobald sie spürten, daß auch ich mich um ihre Sprache bemühte. Und nun kratzten auch sie bereitwillig ihre deutschen Sprachbrocken zusammen, um eine Verständigung zu ermöglichen. Der persönliche Kontakt wurde enger. Schreiszenen, wie sie vom Militär her jedem in schlechtester Erinnerung sind und wie sie bisher von engstirnigen deutschen Unteroffizieren wegen der fehlenden Ver ständigungsmöglichkeit noch häufiger inszeniert wurden, kamen überhaupt nicht vor. Die starrsinnige Ablehnung der fremden Sprache vertiefte natürlich die Gegensätze und förderte die unheilvolle Abneigung. Es fehlte mit einem Wort den verantwortlichen Stellen jedes Fingerspitzengefühl für die Bedeutung des Sprachenproblems.

Diese Dinge fielen mir beim Lesen des ausgezeichneten Artikels wieder ein. Es dürfte gar keine Frage sein, welcher Teil in gemischtsprachigen Gebieten die zweite Sprache zu lernen hat. Aus Gründen der Gerechtigkeit, Vernunft und Höflichkeit selbstverständlich beide.

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