6947518-1983_50_13.jpg
Digital In Arbeit

Unterwegs wohin?

Werbung
Werbung
Werbung

Mit deutlicher Mehrheit beschlossen die Schriftsteller auf ihrem Kongreß vor zwei Jahren, daß eine Vollmitgliedschaft im österreichischen Gewerkschaftsbund in einer eigenen, autonomen, gleichberechtigten Organisation mit eigener gewählter Leitung und unter Berücksichtigung einer Organisationsform nach Bundesländern anzustreben sei — sofern der ÖGB seine Statuten ändere. Auch die Generalversammlung der Interessengemeinschaft der Autoren in diesem Jahr hielt an diesem Beschluß fest.

Zwar hat der ÖGB seine Statuten geändert, zwar ist „einiges ins Rutschen gekommen“, wie es Günther Nenning formulierte, doch die Änderungen sind den Autoren völlig zu Recht noch lange nicht weitgehend und damit entgegenkommend genug.

Im Paragraphen 1 dieser Statuten heißt es nämlich: „Der österreichische Gewerkschaftsbund ... ist eine auf demokratischer, überparteilicher Grundlage auf gebaute und auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung der Arbeitnehmer. Er umfaßt alle unselbständig Erwerbstätigen (Arbeiter, Angestellte, öffentlich Bedienstete, einschließlich der in einem Lehroder ähnlichem Verhältnis stehenden Personen beiderlei Geschlechts) zur Vertretung ihrer sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen.“

Nicht alle Schriftsteller sind in ihrem Selbstverständnis unselbständig Erwerbstätige, und die Auseinandersetzung der Autoren um die Organisationsform wird sicherlich sofort wieder heftig geführt werden, wenn der ÖGB nach einer neuerlichen Statutenänderung die Arme weit öffnete, um die Autoren „in die starken proletarischen Arme zu nehmen“, wie Milo Dor den Vorgang während der Generalversammlung nannte.

Da ich selbst Autor bin, befürchte ich, daß jene bunte Mischung aus Altehrwürdigkeit der traditionellen Organisationen und utopischen Ansprüchen der Jungen und um Anerkennung Ringenden zerfallen wird, um in einem Grabenkampf zu enden, sobald sich eine solide Mehrheit neuerlich für den Beitritt zum ÖGB aussprechen wird. Nicht alle werden tatsächlich beitreten, weil sie sich den Gewerkschaftsbeitrag nicht leisten können oder wollen; eine zahlenmäßig beachtliche Minderheit wird dem Gewerkschaftsbund fernbleiben, weil sie sich nicht vor stellen kann, daß der schlafende Riese in Sachen Kultur tatsächlich die Interessen der Autoren vertreten können wird bzw. vertreten wird wollen. Dafür wird sich die Autorenschaft in zwei Lager gespalten haben und die jahrelangen Bemühungen werden vergebens gewesen sein.

Wie schwierig Solidarisierungsprozesse ablaufen, zeigt sich nicht zuletzt in der Diskussion um die Ruhensbestimmungen.

Schriftsteller, die ihr Leben lang ihre Beiträge einzahlten, müssen im Pensionsalter Einbußen hinnehmen, wenn sie Einkünfte aus der Schriftstellerei beziehen. Das ist ungerecht — gar keine Frage. Eine Situation, in der es finanziell günstiger erscheint, daß Goethe den zweiten Teil von „Faust“ in der Schublade liegen läßt, ist unerträglich. Doch die Ruhensbestimmungen gelten für alle anderen unselbständig Erwerbstätigen auch, daher müßte man im Sinne der Gleichheit für alle fordern: Weg mit den Ruhensbestimmungen! Weniger staatliche Einmischung!

Die Organisationsfrage der Schriftsteller wird noch lange Zeit diskutiert werden, man kann nur hoffen, daß der leidige Weg der wechselseitigen Majorisierungen- unterbleibt. Sonst gerät die schwer erarbeitete Einheit der Autoren in Gefahr.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung