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Unverstandene Söhne Österreichs..
Es ist nicht immer leicht, eine anspruchsvolle Nationalhymne zu singen, in der ein Land beispielsweise als „Heimat großer Söhne" gepriesen wird. Nicht etwa, weil Österreich zu wenig große und starke Söhne als Siegertypen hervorgebracht hätte! Vielmehr weil man allzu leicht vergißt, daß es auch kleine und schwache Söhne gibt - Verlierertypen eben.
Bei Fußball-Länderspielen müssen die Nationalmannschaften die Hymne schon vorher singen und bei Schlager-Wettbewerben überhaupt nicht. Was für ein Glück bei diesen beiden Veranstaltungen - der 0:6-Schlappe im Fußball und dem 0:22-Debakel beim europäischen Song-Contest. In beiden Fällen waren die Sieger ziemlich mittelmäßige Schweden.
Da fragt man sich als besorgter Nachbar doch unwillkürlich wieder einmal, ob die Rettung von Österreichs Zukunft nicht eher von seinen großen Töchtern kommt. Natürlich wäre jetzt nichts unangebrachter, als Spott aus der berühmten deutschen Überheblichkeit heraus. Als Bayer neigt man nicht zur Häme gegenüber einem schwer geschlagenen alpenländischen Nachbarn.
Wir deutschen Weltmeister haben zwar immerhin dank des glänzenden Doppelpaß-Spiels unserer Spitzstürmer Ach und Krach gegen Belgien 1:0 gewonnen. Wir sind eben wieder wer in der Welt des Fußballs. Und beim Grand Prix der europäischen Schlager sind wir großen Söhne Bachs und Beethovens immerhin um vier Plätze vor den Söhnen Mozarts und Haydns als Nr. 18
gelandet. Und natürlich auch vor den Brüdern von Professor Udo Jürgens. Trotzdem wollen wir jetzt nicht voller Stolz auf Euch herabsehen.
So ganz hundertprozentig war ja unser Erfolg beim Schlager-Wettbewerb auch wieder nicht. Schließlich hat die Musikgruppe, die unsere deutsche Kulturnation repräsentiert hat, schon durch den Namen „Atlantis 2000" zu verstehen gegeben, daß sie sich dem Untergang geweiht hat - dem Untergang des deutschen Schlagers.
Leider wurde sie bei ihrem ..Traum, der niemals sterben darf' in der letzten Konsequenz noch von drei anderen Ländern und insbesondere von Österreich überrundet. Eine weltweit gefeierte Musiknation muß gerade im Mozartjahr stolz darauf sein, nicht durch einen
einzigen Anerkennungs-Punkt für einen modernen Schlager entehrt zu werden! Wir, die Erben Richard Wagners und Brüder Udo Lindenbergs, müssen erst noch sehen, wie wir unsere zehn unerwarteten Gnadenpunkte kulturkritisch verarbeiten.
Es klingt jetzt vielleicht undankbar, weil ich den Titel des ORF-Songs schon wieder vergessen habe. Aber er wird wahrscheinlich in die moderne Musikgeschichte eingehen - als der „Unverstandene".
Aber - Fußball hin, Song-Contest her - wenn man es nicht kultur-, sondern mehr europapolitisch betrachtet, dann solltet Ihr Euch gegen Eure neutralen Brüder und Schwestern in Schweden allmählich was einfallen lassen. Bevor der nächste Stenmark auftaucht.
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