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Was wann geschehen ist

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12.. Februar: Um 7 Uhr dringt die Polizei gewaltsam in das Linzer Arbeiterheim („Hotel Schiff") ein. Der Schutzbund entgegnet ihr mit Schüssen. Abteilungen des Bundesheeres versuchen vergeblich,' die Ordnung wiederherzustellen, die Kampfhandlungen zwischen den Schutzbündlern und der Exekutive weiten sich aus und greifen auf Wien und andere Industriestädte wie Steyr, St. Pölten, Bruck a. d. Mur, Kap-fenberg, Eggenberg bei Graz, Weiz (sämtliche Steiermark) und auch auf Wörgl in Tirol über.

Um 11.30 Uhr rufen die Sozialdemokraten in Wien den Generalstreik aus. Jedoch nur die Belegschaft des Wiener E-Werkes befolgt ihn (die Eisenbahner streiken nicht), so daß die Stadt bloß einen Tag lang ohne Strom ist...

Während sich die Schutzbündler in ihren Parteiheimen, in Fabriken, Bahnhöfen, in mächtigen Gemeindebauten, z. B. in der einen Kilometer langen Festung Karl-Marx-Hof, verschanzen, also isolierte Widerstandszentren bilden, von denen aus sie die Exekutive beschießen, setzt die Regierung mit ihren Gegenmaßnahmen ein: Sie verhängt sofort das Standrecht, bietet Bundesheer, Polizei und Gendarmerie auf, die durch das Schutzkorps, d. h. die freiwilligen Formationen des Heimatschutzes, Ostmärkische Sturmscharen, Freiheitsbund und Christlich-deutsche Turnerschaft verstärkt werden. Es kommt zu schweren Kämpfen...

Noch am selben Tag (Ministerrat um 18 Uhr) löst die Bundesregierung die Sozialdemokratische Partei auf. Minister Richard Schmitz wird anstatt des Wiener Bürgermeisters Karl Seitz zum „Bundeskommissar" für Wien ernannt.

13.. Februar: Im Morgengrauen setzt sich Otto Bauer in die Tschechoslowakei ab. Der blutige Widerstand in den Wiener Gemeindebauten und Arbeiterheimen (in Favoriten und Ottakring) geht weiter, ebenso an anderen Brennpunkten in Österreich. Die nun einsetzende Kanonade durch leichte Feldgeschütze wirkt in höchstem Grade demoralisierend. Noch am selben Tag kapitulieren zahlreiche Stellungen der Aufständischen.

14.. Februar: Zusammenbruch der Erhebung in ganz Österreich, auch in Wien und Bruck an der Mur hört der Widerstand auf. Um 23 Uhr richtet der Bundeskanzler einen Appell an die noch Kämpfenden über den Rundfunk, sie sollten bis 15. Februar, 12 Uhr mittag, die Waffen strecken, dann würde ihnen Pardon gewährt.

15.. Februar: Der Aufruf des Bundeskanzlers ist erfolgreich, zahlreiche Aufständische ergeben sich und liefern die Waffen ab. Letzte Widerstandsnester zerniert die Exekutive bis zum Abend.

Die Verluste lassen sich nicht genau ermitteln. Nach dem Stand vom 26. Februar 1934 betragen sie für Wien (laut „öffentliche Sicherheit", Rundschau der österr. Bundes- und Gemeindepolizei sowie Gendarmerie, 14. Jg.) 156 Tote, darunter 109 Zivilisten, 26 Polizisten, 14 Schutzkorpsleute und 7 Bun-desheerangehörige; weiters 356 Verwundete, darunter 233 Zivilisten und 123 Angehörige der staatlichen Streitkräfte.

Gesamtösterreichisch hatte das Bundesheer 172 Mann an Verlusten: 30 Tote und 142 Verletzte; die Exekutive hatte 53 Tote und 173 Verletzte, die bürgerlichen Wehrverbände 41 Tote und 87 Verletzte. Was die Schutzbündler betrifft, so hat die Bundesregierung ihre Verluste mit 118 Toten, davon 17 Frauen, und 279 Verletzten angegeben.

Man schätzt für den Schutzbund in ganz Österreich etwa 200 Tote und über 300 Verwundete. Manche schätzen weit mehr, so z. B. allein für Wien über 1000 Mann Verluste.

21. Februar: Um sieben Uhr früh werden Standrecht und Todesstrafe für „Aufruhr" aufgehoben. Bis dahin sind „140 Schutzbündler standrechtlich abgeurteilt, von einigen Dutzend Todesurteilen aber lediglich acht vollstreckt" worden (Eberhard Holtmann: „Politische Tendenzjustiz", in: „Das Jahr 1934:12. Februar", S. 51)

Auszug aus der Zeittafel des Werkes OSTERREICH (Von der Staatsidee zum Nationalbewußtsein). Hrsg. Georg Wagner. Staatsdruckerei, Wien, 1982.

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