Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Wiener Schnä
Voller Bewunderung schaut die Welt, vor allem das nichtalpine Ausland, in diesen Tagen auf das strahlend weiße Wien. Ich meine jetzt weniger den Opernball mit den flockigen weißen Herzerln, die dort übers Parkett wirbeln und danach heiß weggehen.
Ich denke vielmehr an die herzigen weißen ^Flockerln, die jeden Winter zur Überraschung, vieler Wiener vom Himmel auf die Straße fallen und dort eiskalt liegenbleiben. Bis die Märzsonne das letzte Häuferl braunen Schnees den anschleichenden Räumkommandos von der Schaufel tropfen läßt.
Diesen köstlichen Wiener Schnä, diese einmalige Mischung aus Schnee und Schmäh, gibt es zu dieser Jahreszeit nur hier.
Ein Münchner in Wien ist es ja gewohnt, daß er als Älpler nicht ernst genommen wird, weil Bayern halt im Vergleich zu Österreich eigentlich gar kein richtiges Alpenland ist. Und jeder Wiener kann einem sofort erklären, daß in der Alpenrepublik die Berge höher, die Gletscher größer, die Pisten länger, die Sennerinnen schmalziger und die Schifahrer schneller sind. Und das stimmt ja leider auch.
Die Vorarlberger, Tiroler, Salzburger, Kärntner und Steirer sehen uns das immerhin noch großzügig nach, daß wir eben den kleineren Zipfel der Alpen erwischt haben. Weil wir ja sonst zum Schiurlaub nicht so oft über die Grenze kommen würden.
Aber das alpine Wien spielt als Wintersport-Metropole alle gnadenlos an die Wand. Hier zeigt man uns geradezu demütigend, wie man dank weltstädtischer Wintererfahrung auch mit kleinen Schneemengen ein großes Chaos bewirken und mit der leisesten Kälte ein lautes Gezeter anstimmen kann.
Die Schneeräumung in Wien sorgt bei ganz normalem alpenländischem Schneefall mit großem Aufwand dafür, daß kein Stäubchen Schnee durch Fräsen, Aufladen oder Wegfahren aus der Stadt sinnlos vergeudet wird.
Nein, hier wird der Schnee gleichmäßig auf alle Straßen verteilt, kräftig durchgesalzen, damit er sich wie Surschnee länger hält. Dann wird der körnige braune Schneesand mehrmals täglich gewendet, von einer Kreuzung in die andere geschoben, auf die Gehsteige und Parkstreifen gefegt und von dort wieder auf die Straße zurückgeschaufelt.
Auf diese Weise kann der fesche Wiener sich als motorisierter Wintersportler betätigen: mit Sommerreifen, erstem Gang und Vollgas. Ja, wenn man ein paar Jahre das lustige Schneetreiben in Wien studiert hat, dann versteht man voller Neid den Slogan vom ,Land, in dem der Winter stattfindet“.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!