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ZEICHEN DES GLAUBENS

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Für viele Menschen ist Ostern zu einem bloßen Frühlingsfest geworden. Bewußte Christen mag das irritieren, weil es ihnen doch um das Fest der Auferstehung Jesu geht, das sie nicht in seiner Bedeutung herabgemindert sehen möchten. Vielleicht wird es sie trösten, wenn sie hören, daß Ostern sehr wohl mit Frühling zu tun hat, daß also die Freude über das Wiedererwachen der Natur durchaus mit dem Wesen des christlichen Osterfestes zu tun hat — wenn auch in vorreligiöser Weise.

Schon das jüdische Feiern des Pesach (Passah, Pascha) in Erinnerung an die Befreiung aus der Sklaverei Ägyptens orientierte sich zeitlich am Aufbruch zum Weidewechsel im Frühjahr. Unsere christliche Datierung auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond bleibt der Jahreszeit treu. So wird der Jahreszyklus mit dem Erwachen der Natur nach dem Todesschlaf des Winters zum kosmischen Symbol für Tod und Auferstehung.

Hier zeigt sich auch die europäische Prägung des Christentums: Denn für unsere Vorfahren war tatsächlich der Winter eine lebensbedrohende, eine tödliche Zeit. So mußte der Frühling wie ein Sieg des Lebens über Dunkelheit und Tod erscheinen. Obwohl wir heutzutage den Winter in geheizten Räumen oder in warmer Kleidung und beim Wintersport verbringen, spüren viele Menschen eine starke Sehnsucht nach Licht und Wärme.

Ostern wurde bei den Juden und bei den Christen eine ganze Woche lang gefeiert. In beiden Religionen hat dieses Fest das reichste Ritual, die größte Vielfalt an Zeichen, Symbolen, an Texten und Gesängen. Die Feier bei Nacht oder beim Morgengrauen wollte deutlich machen, wie aus dem Grauen der Nacht und des Todes der Morgen und das Leben erstehen.

So ist es verständlich, daß für viele Christen der Sonnenaufgang zum Symbol für den Auferstandenen wurde. In der Sprache des heidnischen Kultes: Jesus als ,^ol invictus“ , als unbesiegte und unbesiegbare Sonne. So wurde die Eucharistiefeier allwöchentlich zur Auferstehungsfeier beim Sonnenaufgang des Sonntags, des ,ßonn“ -tags. (Wochentagsmessen kamen erst später auf.) Deshalb ist der Sonntag seit jeher für den Christen ein kleines Osterfest.

Das ist die dreifache Auferstehung im Zeitzyklus: täglich der Sonnenaufgang, wöchentlich der Sonntag und alljährlich der Frühling. Die vierte Auferstehung erwarten die Christen jenseits des Todes.

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