"Ich lerne, allzeit meditativ zu leben"

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Ein Leben in zwei Welten führt die Äbtissin von Marienkron: Sie leitet ein großes Kneippkurhaus mit 143 Gästezimmern in Mönchhof und lebt andererseits in der Stille der klösterlichen Klausur. Wie es dazu kam, erzählt sie im folgenden Gespräch.

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Ein Leben in zwei Welten führt die Äbtissin von Marienkron: Sie leitet ein großes Kneippkurhaus mit 143 Gästezimmern in Mönchhof und lebt andererseits in der Stille der klösterlichen Klausur. Wie es dazu kam, erzählt sie im folgenden Gespräch.

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die furche: Welche Bedingungen fanden Sie damals vor, als Sie und Ihre fünf Mitschwestern im Burgenland eintrafen?

Äbtissin Sr. Maria Rosalia Golsch: Der Plan zur Gründung eines Frauenklosters für Zisterzienserinnen ging vom Kloster Heiligenkreuz aus. In einer Kapitelversammlung einigte man sich 1954 darauf, im Pfarrhof Mönchhof im Burgenland ein Provisorium bereitzustellen - mit Grund und Boden, sowie Schulräumen für eine Haushaltungsschule.

Dafür sollte Seligenthal vier qualifizierte Chorfrauen und ein bis zwei Laienschwestern freistellen, um ein kontemplatives, klösterliches Leben aufzubauen und die Haushaltungsschule zu übernehmen.

die furche: Wenn Sie Grund und Boden vorfanden, wo waren aber die Arbeiter, die den Boden urbar machten? Sicher fanden Sie doch braches Ackerland dort vor?

Sr. Maria Rosalia: Die Arbeiter waren wir Schwestern selber. Zwar hatten wir bisher lediglich die Pflichten des klösterlichen Lebens in Seligenthal gekannt und dort im Konvent die üblichen Pflichten erfüllt. Hier aber ging es ganz elementar um Rodung und Bebauung - zuerst des Gartenlandes, dann der umliegenden Äcker.

die furche: Kam es also nicht zur Gründung einer Haushaltungsschule, wie in der Planung von Heiligenkreuz vorgesehen?

Sr. Maria Rosalia: Am 7. November 1955 wurde die landwirtschaftliche Fortbildungsschule feierlich eröffnet. Nach unserem Lehrplan erteilten wir auch Unterricht in Maschinschreiben, in Strickarbeiten und Paramenten. Wir hielten Hühner, Schweine und Kaninchen, um uns selbst zu versorgen, aber auch eine Existenzgrundlage zu finden.

die furche: Und wann wurde mit dem Bau des Klosters begonnen? Wieviel an Grund stand dafür damals zur Verfügung?

Sr. Maria Rosalia: Gemäß den Beschlüssen des Heiligenkreuzer Kapitels vom 19. August 1957 stellte Heiligenkreuz uns 20 Hektar Land und drei Millionen Schilling zum Bau des Klosters zur Verfügung und versprach außerdem Mithilfe bei der Erlangung eines günstigen Kredites. Die Grundsteinlegung fand am 20. November 1957 statt. Die Einweihung begingen wir in Anwesenheit von Bischof Stefan Laszlo und Abt Karl Braunstorfer bereits am 7. und 8. Dezember 1958. Der feierliche Einzug ins Kloster fand aber erst im Jänner 1959 statt.

die furche: Hatte sich die Existenzgrundlage bis dahin bereits ergeben?

Sr. Maria Rosalia: Die finanzielle Unsicherheit dieser Jahre war für uns eine fast unerträgliche Last. Schließlich schien die Geflügelzucht noch der rentabelste Erwerbszweig für uns zu sein. 1967 betreuten wir 2000 Legehennen und hatten einen Stand von 10.000 Backhühnern. Wöchentlich schlüpften bei uns 5000 Kücken. Einnahmen kamen auch durch Ferkelverkauf herein. Schließlich brachte eine Pfirsichplantage von 200 Bäumen gute Erträge. Doch suchten wir weiter nach Erwerbsquellen, die uns irgendwie gemäßer gewesen wären.

die furche: Wann haben Sie dann mit der Aufnahme von Gästen begonnen?

Sr. Maria Rosalia: Schon seit 1960 nahmen wir in noch freien Klosterzellen und einigen Fremdenzimmern Gäste auf. 1961 hatten wir dann während der Sommermonate sogar bereits 26 Gäste! Im Jahr darauf erschien ein Prospekt, der nicht nur zehn Zimmer anbot, sondern auch auf Natur, Stille, gute Verpflegung, Lichtbildervorträge und die Teilnahme an der Liturgie hinwies. Zudem erhielten vier unserer Schwestern ab 1963 eine Anstellung an der Volksschule Mönchhof. Und zwei weitere entschieden sich für die Mitarbeit im Gästehaus.

die furche: Wie es scheint, kämpften Sie damals mit allerlei provisorischen Übergangslösungen. Wann änderte sich Entscheidendes am Gesamtkonzept des Hauses und Klosterbaues?

Sr. Maria Rosalia: Im Februar 1968 habe ich Bischof Laszlo unseren Entschluss bekanntgegeben, den Gästebetrieb zu intensivieren. Wir wollten uns mehr in den Dienst am Menschen stellen, als dies bisher möglich war.

die furche: Vermutlich war es notwendig, kostspielige Kredite aufzunehmen - konnten Sie sicher sein, mit Ihrem damaligen Angebot entsprechende Mittel aufbringen zu können?

Sr. Maria Rosalia: Das große Verdienst am raschen Fortschritt des erheblich erweiterten Gästehauses hatte eindeutig der Österreichische Bauorden. Aber auch wir Schwestern halfen damals kräftig an dessen Bau mit. Am 8. November 1968 konnten wir bereits Dachgleiche feiern. Zugleich begann die Gestaltung von Park und Garten. Das neue Gebäude mit 52 Zimmern wurde ab dem 25. Oktober 1969 mit den dazugehörigen Gemeinschafts- und Arbeitsräumen bezogen. Weitere Zubauten und mancher Umbau erbrachten weitere 50 Gästezimmer. In den Jahren 1979 und 1980 folgten der Gymnastiksaal, die erweiterten Saunaanlagen und die Vergrößerung der Anzahl von Gästezimmern. Schließlich war es auch unser Anliegen, den Kurgästen einen erweiterten Park zu bieten, was durch neue Anlagen auf ehemaligen Ackerflächen möglich wurde.

die furche: Es ist bekannt, dass die grüne Ausgestaltung von Park und Waldungen hier zum großen Teil Ihr ureigenes Anliegen war?

Sr. Maria Rosalia: Wenn ich es so überschlage, habe ich bis jetzt rund eintausend Bäume pflanzen lassen. Wir hatten zuerst die noch heute bestehende Birkenallee gesetzt. Heute herrscht bei uns Vielfalt, Platanen neben Eichen, Buchen, Tannen, Silberpappeln, bis zum Hängeschnurbaum, der seinen Platz neben dem Steinrondell mit dem Findlingsbrunnen fand. Der moderne Mensch leidet unter der Verdrängung der Natur. Wir wollen ihm hier in der grünen Stille eine Oase bieten. Zwischen Hainen, Wiesen, Teichen, bunten Hecken, Brunnen laden daher Bänke zum Gehen und Verweilen ein.

die furche: Sicher wurden auch Veränderungen im Klosterbereich im Laufe der Zeit notwendig?

Sr. Maria Rosalia: Unser Kloster musste im Laufe der Jahre isoliert werden gegen Wetterschäden. Der anfangs offene Kreuzgang erhielt 1983 einen verglasten Schutz. Seine künstlerische Ausgestaltung währte bis 1991. Der Kreuzgarten erfuhr eine Verschönerung durch einen Springbrunnen, der in Form und Symbolik den Gedanken von Frieden und Einheit ausdrückt. Es wurde die Klosterkirche erweitert, sie erhielt eine Orgel. Mit ihren farbenfrohen Glasfenstern, der von Kardinal Joseph Ratzinger gestifteten Muttergottesstatue, wie auch dem neuen Meditationsraum mit Marmortabernakel, fand sie am 18. März 1979 das vollste Einverständnis aller kirchlichen und weltlichen Persönlichkeiten, die an der feierlichen Einweihung teilnahmen.

die furche: Inzwischen wurde aus dem anfänglichen Priorat eine Abtei. Wie kam es dazu?

Sr. Maria Rosalia: Voraussetzung dafür ist laut Konstitutionen des Zisterzienserordens die wirtschaftliche Sicherheit, ein gut geregeltes Ordensleben und eine Zahl von 13 Schwestern mit ewiger Profess. Diese Statuten erfüllten sich im August 1989. Doch erst am 21. März 1991 konnte die Erhebung Marienkrons zur Abtei von Generalabt Polykarp Zakar durchgeführt werden. Die Wahl der Äbtissin fiel auf mich als bisherige Priorin. Wir hatten hier die Freude, etwa 2.000 Mitfeiernde - Bischöfe, Gründer, Äbte, Priester, Äbtissinnen, Mitschwestern, Freunde und Gäste - begrüßen zu dürfen.

die furche: Wenn man als stiller Beobachter Ihren Arbeitstag mit vielen Kurgästen, mit den Regeln des klösterlichen Lebens, mit den Pflichten des Managements eines solche Betriebes und so vielen Anforderungen erlebt, fragt man sich, woher Sie die innere Kraft für ein solches Mammutprogramm nehmen?

Sr. Maria Rosalia: Für mich selber ist die Motivation stärker als der Wille. Der Wille aber basiert auf der Motivation. Ich pendle zwischen Phasen der Stille und der Geschäftigkeit. Ich lerne für mich, allzeit meditativ zu leben. Die große Weisheit ist das Verweilen im Augenblick. Das braucht jeder Mensch, denn es ist reale Lebenshilfe.

die furche: Sie lieben daneben auch die Lyrik, dichten selber?

Sr. Maria Rosalia: Ich habe inzwischen mehr als 100 Gedichte im Computer. Meine Gedichte fallen mir zu in der schöpferischen Stille der Nacht.

Das Gespäch führte Chris Stadtlaender Zur Person: Zisterzienser-Äbtissin und Kommerzialrätin Die Zisterzienserin Sr. Maria Rosalia Golsch wurde als Hedwig Golsch 1926 in Bergdorf (Schlesien) geboren. Sie wuchs mit zwei Brüdern auf dem elterlichen Bauernhof auf. 1945 flüchtete die Familie vor den anrückenden Russen nach Bayern. Im Kloster Seligenthal schloss Hedwig Golsch eine Lehrerausbildung ab. 1953 legte sie als Sr. Maria Rosalia dort die Ewige Profess ab. 1955 kam die Schlesierin nach Mönchhof in den burgenländischen Seewinkel, damals mit fünf Schwestern und ohne finanzielle Mittel. Heute leitet sie mit 21 Schwestern das international anerkannte Kneippkurhaus Marienkron mit 143 Gästezimmern und Appartements. 1967 wurde sie zur Priorin erhoben, und nach der Wandlung des Klosters zur Abtei erfolgte ihre Weihe zur Äbtissin am 29. 6. 1991. Die Gemeinde Mönchhof verlieh ihr die Ehrenbürgerschaft. Der österreichische Wirtschaftsminister verlieh ihr 1991 den Titel Kommerzialrätin. 1996 überreichte der burgenländische Landeshauptmann ihr für ihre Verdienste um das Land das Komturkreuz.

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