7083652-1994_08_05.jpg
Digital In Arbeit

Ein- und zweibeinige Trittbrettfahrer

Werbung
Werbung
Werbung

Knapp ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Verpackungsverordnung kann die Abfall-Recycling-Austria (ÄRA), die in Vertretung des Handels die Rückführung des Verpackungsmülls organisieren und bezahlen muß, eine erste Zwischenbilanz zienen. „Die anfängliche Aufregung hat sich gelegt", freut sich zwar Umweltministerin Maria Rauch-Kallat über die Österreicher, die die Grundsätze ihrer Verordnung bereits brav inhaliert haben. Doch nun stellen sich auch die Schwachpunkte im System heraus: Nicht die Konsumenten, sondern die Verpackungshersteller erweisen sich als schwächstes Ghed in der Müllkette. Sie sollten nämlich mit ihren Lizenzgebühren - je nach Menge und Art des in Verkehr gesetzten und meldepflichtigen Verpackungsmaterials - die gesamte Sammelmaschinerie finanzieren.

Doch die Meldedisziplin läßt noch viele Wünsche offen: Sogenannte „einbeinige Trittbrettfahrer" unter den Firmen deklarieren lediglich einen kleinen Teil ihrer tatsächlichen Verpackimgssorten. Die „zweibeini-

gen Trittbrettfahrer" schließen erst gar keinen Lizenzvertrag ab. Beide Firmen-Typen bringen damit Verpackung in den Handel und belasten das Sammelsystem, ohne dafür zu bezahlen. Bei der Glassammlung etwa summiert sich das - gemeinsam mit zu niedrig kalkulierten Lizenzbeträgen - zu einem operativen Minus von 72 Millionen. Die ÄRA als Holding insgesamt lukriert um eine Milliarde weniger als geplant.

BEGINN VON KONTROHEN

Daher beginnt nun das Umweltministerium auch mit den bisher eher vernachlässigten Kontrollen. „Damit steht das Sammelsystem am wirklichen Prüfstand", ist sich etwa Herbert Spreiteer, Präsident des Vereins der privaten Entsorgungsuntemeh-men, sicher. Allzusehr fürchten müssen sich schwarze Schafe jedoch noch nicht. Ganze 15 Firmen (200.000 kommen in ganz Österreich in Frage) wurden bis jetzt mit einem Kontrollansuchen des Umweltministeriums konfrontiert. „Davon allerding haben einige abgesagt", bringt Sektionsleiter Leopold Zahrer, Müllexperte im Ministerbüro, eine eigen

artige Kompetenzverteilung in dem Prüfverfahren zum Ausdrack. Für die ÄRA - mit kaum 40 Angestellten mehr als überfordert - erledigt eine Wirtschaftprüfungskanzlei die Überwachung.

Die Information über die Verordnung in den Betrieben ist schlecht, muß auch Zahrer zugeben. Erst jetzt etwa beginnt das Umweltmirusteri-um mit Aussendungen an Firmen, die nicht bei der ÄRA mitmachen wollen - was gesetzlich möglich ist. Und Entsorger Spreitzer, mit seinen Verbandsmitgliedem für immerhin 60 Prozent des Mülls verantwortlich, appelliert an eine andere Adresse: „Da fehlt noch viel Aufklärung durch die Wirtschaftskammer."

Ob diese imd andere offensichtliche Finanzierungslücken noch geschlossen werden könnÄi, ist unklar. So muß die ÄRA etwa den Gemeinden 22 Prozent ihrer Kosten aus der Papiersammlung ersetzen. Dieser Wert, so hat man sich in langen Verhandlungen geeinigt, entspricht dem statistischen Antei von Verpackungen im gesamten Papieraufkommen - und das ist Sache der ÄRA. Die ersten Verteuerungen der Lizenzgebühren sind bereits angekündigt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung