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Abfallentsorger pokern um die Müllmilliarden

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Weil Sie künftig beim Einkauf ja schon die Entsorgung der Verpackung mitzahlen, sollten Ihre bisherigen Müllgebühren sinken. Es sei denn, Ihr Beitrag verliert sich im Geflecht der um Marktanteile kämpfenden Entsorgungsfirmen.

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Weil Sie künftig beim Einkauf ja schon die Entsorgung der Verpackung mitzahlen, sollten Ihre bisherigen Müllgebühren sinken. Es sei denn, Ihr Beitrag verliert sich im Geflecht der um Marktanteile kämpfenden Entsorgungsfirmen.

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Er persönlich würde die ganze Verpackungsverordnung wahrscheinlich ehestens zum Restmüll werfen - oder vielleicht doch in den Papierkübel? Egal, Walter Brantner ist sauer: „Wir sind die nützlichen Idioten", klagt der Chef des gleichnamigen niederösterreichischen Entsorgungsbetriebes nach knapp einem Monat Erfahrung mit der neuen Regelung. Im Gegensatz zu den theoretischen Vorstellungen der Altstoffrecycling Austria (Ära), die das Konzept für den Müllsünden-Ablaß des Handels entwarf, funktioniert für Brantner, einem der Großen in der Branche, erst die Pflichten-Hälfte der Verordnung.

Ob quasi seine Gage, die von den Konsumenten in Milliardenhöhe gezahlten Entsorgungsgebühren, rechtmäßig ihren Weg zu den professionellen Miststierern am anderen Ende der Müllkette finden, ist noch sehr unsicher. Die Ära, die sich als organisierende Branchenholding versteht, besitzt ja selbst keinen einzigen Container. Mit 96,1 Prozent aller Lizenzeinnahmen beauftragt sie hingegen spezielle Vereine, sogenannte Branchen-Becycling-Gesell-schaften, mit der Sammeltätigkeit.

Auch die Branchensammler wiederum sind nicht zuletzt aus Kostengründen bestrebt, bereits existierende Strukturen zu nutzen. Auch sie sammeln nicht unbedingt selbst, sondern bedienen sich in jedem Bezirk sogenannter Begionalpartner und bezahlen sie, nach Abzug der ei-

genen Verwaltungskosten mit den ara-Mitteln. Die Regionalpartner geben wiederum Subaufträge an lokale Müllunternehmen oder kommunale Organisationen weiter, womit durch Rauch-Kallats Verordnung bis zu vier verschiedene Ebenen in Bewegung gesetzt werden.

Vier Milliarden Schilling, so rechnet die ara-Holding, stehen im ersten Jahr an Lizenzgebühren der Verpackungshersteller bereit. Bis zu 20 Milliarden, so rechnet die Arbeiterkammer, könnten es noch werden, vorausgesetzt, die ministeriellen Sammelquoten werden erreicht -und alle Lizenzpartner (die mit dem „Punkt" auf der Verpackung) bezahlen auch brav ihren Beitrag. Kein Wunder, wenn die Entsorger Schlange stehen, um sich ein Stück des Kuchens abzuschneiden. Markus Wersonig, Kunststoffbeauftragter der ära: „Wir pokern um den Preis, denn Hunderte Unternehmen bieten sich an."

Walter Brantner ist einer derjenigen, die es geschafft haben dürften. Doch bevor er und seine Kollegen als ära-Partner so richtig ins Verdienen kommen, vergällen ihnen einige unerledigte Probleme zur vertraglichen Regelung dieses Gedanken-Gebäudes allerdings den Triumph. I Bis zur Stunde wissen noch wenige Subunternehmer der untersten Stufe, wer genau ihre Sammeltätigkeit für die neue Containervielfalt bezahlt. Sie arbeiten vorerst einmal auf eigenes Bisiko - allerdings mit der Aussicht auf Millionengewinne. I Die Gemeinden, bis jetzt Finan-cier der Müllentsorgung, sehen plötzlich eine Chance, die Ära als neuen „Sponsor" dafür zu finden. Sogenannte „Triangelverträge" sorgen dafür, daß sie sich selbst als Entsorger ins Spiel bringen können. Das wird teurer, als die ära bei der Kalkulation der Lizenzgebühren geplant hat und verzögert Vertragsabschlüsse mit privaten Unternehmen. I Noch ist nicht geregelt, was mit dem Nicht-Verpackungsmüll passiert, der verordnungswidrig in den Containern landet. Der wird von den Entsorgern ja aussortiert - eine Leistung, für die sie natürlich Geld verlangen. Die ära hingegen möchte den statistischen Fehleranteil dafür

hernehmen, weniger Gebühren zu zahlen. Auch logisch: für diese Mistgruppen hat sie auch keine Lizenz-

Sebühren erhalten. I Speziell Zeitungspapier dürfte nicht zum Verpackungspapier gelangen. Die Zeitungsherausgeber, die das Papier in Verkehr bringen, weigern sich, Entsorgungsbeiträge zu zahlen: Zwei verschiedene Papiercontainer wären die nicht administrierbare Folge. Die Drucksortenverordnung, die das regeln sollte, wurde verschoben. I Weil besonders im Kunststoffbereich die Verwertungskapazitäten nicht ausreichen, müssen kostspielige Zwischenlager aufgebaut werden. Das wurde nicht einkalkuliert, verzögert Entsorgungsverträge und macht ein Ansteigen der Lizenzgebühren mehr als wahrscheinlich.

Dennoch dürften die Müll-entsorger nicht zu kurz kommen. Brantner räumt auch ein: „Für uns ist es wichtig, dabei zu sein." 90.000 Tonnen Kunststoff erwartet sich etwa die ArgeV im nächsten Jahr. Gemeinsam mit dem Kunststoffver-werter müßte sie dafür rund 1,3 Milliarden Schilling von ara-Boß Christian Stiglitz bekommen und an ihre Regionalpartner und deren Subunternehmer weiterverrechnen können. Insgesamt hätten die 650.000 Tonnen Verpackungsmüll, die letztes Jahr bereits gesammelt wurden, laut ara-Tarifen einen theoretischen Entsorgungs-Wert von 5,2 Milliarden Schilling.

Erwin Bundschuh, Vorsitzender des ara-Aufsichtsrates und Unile-ver-Chef, weiß, warum er in seinen Prinzipien „ein funktionierendes Kontrollsystem" verlangt. Möglichkeiten, das Stück Kuchen in unfairer Weise zu vergrößern gibt es viele, wenn sich in dem vielstufigen System Partner zusammenreden. Das fängt damit an, daß der Müll mehrmals zum Schein abgegeben werden kann (und mehrmals mit der Ära verrechnet wird) und hört mit schleißig getrennten Fraktionen noch lange nicht auf. ara-Chef Stiglitz verspricht: „Wir werden ein besonderes Augenmerk auf solche schwarzen Schafe legen." Mit kaum 30 Personen sind seine Kontrollkapazitäten allerdings sehr begrenzt.

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