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Ein Ansporn

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In der ersten Märzwoche, also gerade zu jenem Zeitpunkt, als die sozialistischen Unterhändler auf höchster politischer Ebene die Habsburg-Sackgasse ansteuerten, veröffentlichte der Beirat der Paritätischen Kommission das Ergebnis seiner Untersuchungen. Vom Mai 1958, als Bundeskanzler Raab angesichts der Konjunkturlage die Paritätische Kommission als Kontaktforum der Sozialpartner schuf, bis zum Frühjahr 1964 spannt sich ein weiter Bogen verschiedener Initiativen und Versuche, die Entwicklung von Löhnen und Preisen zu harmonisieren. Den jüngsten Beitrag zu diesem Problemkreis lieferte der Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen.

Die Studie des Beirates befaßt sich mit der Preis- und Einkommensentwicklung in den wichtigsten Bereichen der Wirtschaft. Preise und Einkommen sind ebenso wie das Wohnungswesen wirtschaftspolitische Fragen des Alltags, die auf unmittelbares und persönliches Interesse der Staatsbürger treffen. Wirtschaftspolitik treiben zu wollen, ohne die wirtschaftlichen Daten und ihre wechselseitigen Beziehungen zu kennen, hieße bloßes Experimentieren. Experimentieren noch dazu mit Faktoren, die den Lebensrahmen jedes einzelnen Staatsbürgers mitbestimmen. Zum Unterschied von der marxistischen Doktrin sieht die soziale Marktwirtschaft den Mensehen ja nicht als Objekt, sondern als Ziel des Wirtschaftens an.

In der Untersuchung des Betrotes für Wirtschafts- und Sozialfragen wird eine Reihe von Tatsachen und Zusammenhängen klargestellt. Bei gewichtigen Punkten mußte der Beirat aber auch Lücken und Mängel der vorhandenen statistischen Unterlagen aufzeigen und deren eheste Behebung verlangen. So wurden die Preisindizes als ungenügend bezeichnet und eine verläßliche, modernen Ansprüchen genügende Bauwirtschaftsstatistik als Voraussetzung für eine Rationalisierung der Wirtschaftspolitik auf diesem Sektor gefordert. Die gegenwärtige Berechnung der Durchschnittseinkommen von Arbeitern und Angestellten aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und deren Bruttodarstellung als Pro-Kopf-Einkommen luill der Beirat durch eine realistische Verdienststatistik ersetzt sehen. Nur wenn auch die Änderungen in der Berufs- und Qualifikationsstruktur, beruflicher Aufstieg und dergleichen, in der Statistik berücksichtigt werden, bietet sie eine verläßliche Grundlage für Entscheidungen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Auf der Einkommenseite verlangt der Beirat weiter, daß der gesamte öffentliche Sektor in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gesondert dargestellt werden soll. Nur mit eindeutigen und vollständigen Unterlagen wird man den irrigen Vorstellungen und der Demagogie begegnen können.

Fachleute lieferten Daten und Arbeitshypothesen; Politiker aber haben über Ziele, Methoden und Zeitpunkt des Handelns zu entscheiden. Noch unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Dr. Gorbach hat die Paritätische Kommission die Studie ihres Beirates über die Entwicklung der Preise und Einkommen zur Kenntnis genommen und an die Bundesregierung weitergeleitet. Aufgabe der neuen Bundesregierung wird es sein, den sachlichen Feststellungen die politische Tat folgen zu lassen. Es mag als ein gutes Omen gelten, daß der gegenwärtige Vorsitzende des Beirates, Dr. Wolfgang Schmitz, im Kabinett Klaus das Finanzressort leiten wird.

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