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„Mit dem Wagen zum Training“

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FURCHE: Herr Hanappi, Sie erlebten während Ihrer 14jährigen Fußballkarriere Höhepunkt und Abstieg des österreichischen Volkssports Nummer eins. Wann hatte unser Fußball das letztemal Weltgeltung und was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen seines Niederganges? HANAPPI: Weltklasse repräsentierte noch jene Nationalmannschaft, die 1954 in der Schweiz den dritten Platz in der Weltmeisterschaft erkämpfen konnte. Seither ist trotz der mehr als einjährigen Siegeisserie unseres Teams zu Beginn der sechziger Jahre ein stetiger Niveauverlust, zumindest in der Relation zur internationalen Entwicklung gesehen, eingetreten. Als wichtigste Ursache sehe ich den höheren Lebensstandard, verbunden mit den vielen Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung. FURCHE: Aber dies trifft doch auf alle Staaten Europas zu. Deutschland beispielsweise

konnte dennoch seine Spitzenstellung behaupten.

HANAPPI: Bezüglich der deutschen Spartler besteht ein wesentlicher Unterschied, nämlich ihre — wohl mantaiMtätsbedingte — bessere Selbstdisziplin. Ich erinnere mich, daß etwa Fritz Walter, -einer der besten Spieler der Nachkriegszeit, noch im Alter von 37 Jahren den Weg zum Training zu Fuß zurücklegte und „Uberstunden“ in Form von ausgedehnten Spaziergängen und Waldläufen machte. Heute kommt fast jeder Fußballer mit seinem Wagen zum Pfüchrttraining, absolviert mehr oder weniger lustlos die Übungen und steigt wieder ins Auto. Dazu kommt noch ein gewisser Substanzverlust der Nachkriegs Jahrgänge, der meist schon augenfällig ist. Ich möchte sagen, daß es an der Urkraft des Materials fehlt.

FURCHE: Hat sich darüber hinaus auch im Verhältnis der Spieler untereinander im Vergleich zu Ihrer Aktivenzeit Wesentliches. geändert?

HANAPPI: Ich glaube schon. Während wir, zumindest bei meiner Mannschaft Rapid, eine verschworene Gemeinschaft bildeten, Monate hindurch in der gleichen Aufstellung spielten und die Mannschaftsleistung im Vordergrund stand, scheint mir heute ein ungesunder Individualismus Platz gegriffen zu haben. Dem einzelnen ist in erster Linie nur die eigene Leistung wichtig. Dazu trägt nach meiner Ansicht wesentlich der Kampf ums „Leiberl“, um den Stammplatz in der ersten Mannschaft, bei; das Bewußtsein, bei einer schwächeren Leistung in die Reserve versetzt zu werden, fördert Egoismus und jene Rivalität, die zu Unrecht von manchen als „gesund“ bezeichnet wird.

FURCHE: Sind Sie der Meinung Karl Rappans, daß der Profifußball in Österreich derzeit undurchführbar ist?

HANAPPI: Ja. Es wäre direkt unverantwortlich den Spielern gegenüber, sie zum Berufsifuß-ballertum zu verleiten und ihnen damit in den meisten Fällen den Aufbau einer Karriere zu zerstören, wie es etwa mit Toni Fritsch gemacht wurde, der als guter Auitomechaniker zu Rapid kam und auf den von Seiten des Vorstandes so lange ein Druck ausgeübt worden war, bis er einen Lizenzspielervertrag unterzeichnete. Zudem ist das Mäzenatentum bei uns sehr spärlich gesät, so daß der Preisgabe des bürgerlichen Existenzaufbaues kein Äquivalent entgegensteht.

FURCHE: Eine Krise in der Mannschaft hat oft in einer Funktionärskrise ihren Ursprung. Bei Rapid gab es in der letzten Zeit stürmische Sitzungen, in deren Folge Ihnen und dem Vereinsarzt Dr. Schwinger „der Prozeß gemacht“ werden soll. Glauben Sie an eine weitere Zuspitzung der Situation bei Rapid?

HANAPPI: Nein. Wenn ich auch in sachlicher Opposition zu dem unrealistischen Projekt des „Großvereins“ stehe, entstanden unsere Schwierigkeiten vornehmlich erst durch übertriebene Zei-tungsmeidungeni, in denen ohne Kenntnis der Hintergründe „Meinung gemacht“ wurde, wodurch sich der Vorstand zu einer Affekthandlung hinreißen ließ. Ich glaube eher, daß das Verfahren im Sande verlaufen wird. FURCHE: Wen halten Sie für die derzeit besten Fußballer der Welt?

HANAPPI: Die Engländer und die Westdeutschen.; Bobfoy Chariten, Best und Beckenbauer gefallen mir am besten, wenn auch keiner der Genannten die Klasse eines Puskas oder di Stefano erreicht.

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