Das alte Wien im Fokus

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Wie August Stauda Wien um 1900 durch seine Linse gesehen hat, ist derzeit im Wien Museum zu entdecken.

Eine Stadt im Umbruch - das war Wien um 1900. Entlang der Ringstraße entstanden repräsentative Gründerzeitgebäude, überall in der ganzen Stadt wurden Zinshäuser im Stil des Historismus hochgezogen. All diese Bauten, die heute das Altstadtbild Wiens prägen, wurden an der Stelle älterer Häuser errichtet. Dieses andere, verschwindende Wien, den vom Abriss bedrohten barocken, biedermeierlichen und dörflichen Baubestand, hat der Fotograf August Stauda auf tausenden Fotos festgehalten. Das Wien Museum zeigt in der Ausstellung "Wien war anders" einen ausgewählten Teil dieser Aufnahmen: Wien, wie es einmal war.

Auftrag: Für das echte Wien

Die meisten Aufnahmen machte Stauda im Auftrag des Schriftstellers, Sammlers und Mäzens Graf Karl Lanckoronski-Bzezie, eines der führenden Köpfe der Heimatschutzbewegung, die gegen die Zerstörung des "echten Wien" kämpfte. Wenn irgendwo einem alten Haus oder einer ganzen Häuserzeile die Demolierung drohte, war Stauda zur Stelle. Anders als die romantisierenden Vedutenmaler, die selbst das heruntergekommenste Elendsquartier in den schönsten Farben zeichneten, dokumentierte der Berufsfotograf Stauda, der sich nicht als Künstler betrachtete, seine Zeit nüchtern und realistisch. Systematisch und detailgetreu hielt er auf seinen Aufnahmen verwinkelte Gässchen, Häuser, Fassaden, Portale, Innenhöfe und nicht zuletzt das Alltagsleben der Menschen fest.

Wehmut nach der alten Zeit

Verewigt sind längst verschwundene Milchdepots, Branntweinschanken oder Bierhäuser; Pferdekutscher ziehen voll beladen durch enge Gassen, in den Hinterhöfen arbeiten Frauen, Handwerker und Taglöhner. Die vielen bloßfüßigen Kinder zeugen davon, dass es sich bei den zum Abriss bestimmten Grätzeln um rückständige, ärmliche Viertel handelte. Dass die nüchternen Fotografien schon damals eher Wehmut nach den alten Zeiten statt Freude über den Fortschritt hervorriefen, ist heute umso verständlicher. Renoviert und begrünt wären die allermeisten dieser Bauten mit ihren Innenhöfen heute begehrte Idyllen inmitten der Großstadt.

Zeugnis der alten Warenwelt

Die exzellent gemachte Ausstellung ist sowohl nach Bezirken als auch nach Themen gegliedert. So kann sich jeder Wiener ein Bild machen, wie sein eigener Wohnbezirk vor einem Jahrhundert ausgesehen hat. Andere Bilder sind nach gewissen Details (Türen, Fassadenschmuck, Lampen oder Brunnen) oder nach höchst interessanten Aspekten wie "Werbung und Schilder", oder "Kinderzimmer Straße" gruppiert. Auffällig ist: Wo heute der Denkmalschutz für saubere, "authentische" Fassaden sorgen würde, klebten damals überall Plakate und Firmenschilder - zum Teil von Wirtschaftszweigen, die uns heute wie aus einer anderen Welt scheinen: Wo bekommt man heute noch "echt mährische Hülsenfrüchte" oder "Pester Dampfmehl" zu kaufen?

Der Eröffnung dieser Schau ging übrigens ein Umbau des Wien Museums voraus, das damit den Anforderungen eines zeitgenössischen Museumsbetriebs angepasst wurde. Nach Plänen des Architektenbüros BMW wurden im ersten Stock zusätzliche Ausstellungsflächen gewonnen und das Foyer neu gestaltet. Nach der Entfernung einer Wand können nun Kassa, Shop, Stiegenhaus und die Lage aller Ausstellungsbereiche mit einem Blick erfasst werden. Das Wien Museum, ein moderat moderner Bau aus den 1950er Jahren von Oswald Haerdtl, wurde selbst zum Ausstellungsobjekt. Typische Fifties-Elemente wie eine Lamellenwand aus Aluminium oder die Handführungen im Treppenhaus wurden durch Beschriftung in den Rang von Exponaten erhoben. Auch originale Einbaumöbel, die lange Zeit unzugänglich waren - etwa eine bewegliche, holzvertäfelte Wand mit eingebauter Filmleinwand - sind nun offen sichtbar.

Wien war anders

August Stauda, Stadtfotograf um 1900

Wien Museum Karlsplatz

www.wienmuseum.at

Bis 27. 8. Di-So 9-18 Uhr

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