Die Zukunft des ALPENTOURISMUS

19451960198020002020

Der Klimawandel wird die Zukunft der Alpenregion und die des Tourismus nachhaltig ändern. Aber wie sollen sich die Fremdenverkehrsbetriebe auf wenig Schnee und hohe Temperaturen einstellen?

19451960198020002020

Der Klimawandel wird die Zukunft der Alpenregion und die des Tourismus nachhaltig ändern. Aber wie sollen sich die Fremdenverkehrsbetriebe auf wenig Schnee und hohe Temperaturen einstellen?

Werbung
Werbung
Werbung

Hoch über Innsbruck, auf der 2000 Meter hoch gelegenen Seegrube, fällt leichter Schneeregen. Glühwein wird ausgeschenkt, Maroni werden gereicht. Eine Band mit Akkordeon, Gitarre und Kontrabass im Trachtenlook soll die Gemüter erwärmen. Nicht, weil es wirklich kalt wäre. Aber besser würden sich hier alle fühlen, wenn es kalt wäre. Viel kälter. Zum Auftakt einer Konferenz zur Zukunft des Alpentourismus will der Gastgeber Tirol-Tourismus zeigen, warum Innsbruck sich als Hauptstadt der Alpen fühlt. In wenigen Minuten kommt man von der Innenstadt in hochalpines Gebiet, wo sich auch Extremsportler wohlfühlen würden.

Und doch: Einen sicheren Saisonauftakt Ende Oktober, wie er seit Jahren mit den ersten Schirennen in Sölden zelebriert wird, kann man heute nur mehr am Gletscher garantieren. Überall in den Urlaubsgebieten des Alpenbogens ist vor Weihnachten Schneeunsicherheit zu beklagen. Schweizer Statistiker haben errechnet, dass der Alpen-Winter heute 37 Tage kürzer ist als noch im Jahr 1970. Auch deshalb nieselt es in der Seegrube, während die Musi spielt.

Winterreisen-Screening

Der Klimawandel, darüber ist man sich in Touristikerkreisen weitgehend einig, wird die Branche verändern. Und darum ging es in einer umfangreichen Studie, die zum Auftakt der Konferenz vorgestellt wurde. Ein Konsortium aus dem Management Center Innsbruck, der Sporthochschule Köln und EURAC Research, Bozen, hat Materialien zum Thema Winterreisen in den Alpen gescreent.

Auf dieser Basis wurden Experten zu den Stärken und Schwächen des alpinen Tourismus befragt. Das Ergebnis: Von "Resilienz" ist die Rede, also von der Fähigkeit, flexibler auf wechselnde Rahmenbedingungen zu reagieren. "Emotion" sollte in der Werbung verstärkt eingesetzt werden. Ein Werbe-Clip, der keine Emotionen wecke, erfülle seinen Zweck nicht, so die Touristiker. Und der zentrale Emotionsträger sei der Schnee.

Nachfragefaktoren

"Nicht der Klimawandel an sich, sondern Wetter, Schnee und Erreichbarkeit bestimmen immer stärker die Nachfrage nach Winterreisen in die Alpen", meint Ralf Roth von der Deutschen Sporthochschule Köln. Deswegen seien mehr innovative Mobilitätslösungen zwischen Smart Cities und Wintersportorten zu entwickeln.

Der Alpentourismus, so heißt es, sei ein Geschenk des 20. Jahrhunderts, der viele Dörfer in abgelegenen Tälern aus der Armut befreit hat. In der vergangenen Saison haben die 48 Alpenregionen 386 Millionen Nächtigungen registriert. In Ländern wie Tirol, Salzburg, Vorarlberg, den Schweizer Kantonen Graubünden oder Wallis entfallen heute zwei Drittel und mehr der touristischen Wertschöpfung auf den Winter.

Die überdurchschnittlichen Umsätze machen den Wintertourismus zum Treiber für Investitionen von Unternehmen und Reisezielen, so die Studie. Arbeitsplätze und Einkommen werden so nicht nur im Tourismus selbst, sondern auch in den Zulieferbranchen in peripheren Regionen gesichert.

Österreich ist das einzige Land im Alpenbogen, das mehr ausländische als heimische Winterurlauber verzeichnet. Mehr als drei Viertel der Winterurlauber kommen zum Schifahren.

Obwohl in den vergangenen Jahren immer mehr Wintertouristen auf sanftere Sportarten wie Schneeschuhwandern oder Langlaufen umgestiegen sind, bleibt Schifahren auch in Zukunft das Kernprodukt in den Alpen, so Koautor Harald Pechlaner von der EURAC in Bozen.

Erzeuger und Betreiber von Liftanlagen neigen dazu, die voraussichtlichen Folgen des Klimawandels kleinzureden. Viele Touristiker verniedlichen den ökologischen Fußabdruck von Beschneiungskanonen.

Aber Gemeinden wie Reutte in Tirol setzen dagegen. Da das Gelände dort den alpinen Schisport nicht begünstigt, bietet man Schneewanderungen und andere Alternativen zum Pistenspaß an. Für Christian Pölzl, den Marketingleiter des Tourismusverbands Reutte, ist diese Lage ein Asset. Auch in den schneearmen Wintern habe kein einziger Gast storniert: "Es gibt bei uns die Möglichkeit, Hütten zu erwandern, die weit weg vom Schigebiet sind", wo also keine gefährlichen Pisten gequert werden und lärmende Schifahrer ertragen werden müssen. Gleichzeitig seien die Wege lawinensicher. Ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Deutsche Urlauber und Tiroler hätten das längst entdeckt, so Pölzl, nur die Wiener machten sich noch rar.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung