"Ich pfeife nicht für die Fans"

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Seit 20 Jahren ist Nicole Petignat als Schiedsrichterin im Einsatz - zuletzt auch im internationalen Männer-Fußball. Im Interview spricht die 37-jährige Schweizerin über ihre Karriere - und ihre Rolle im Stadion.

Die Furche: Sie haben im August 2003 in Stockholm als erste Frau ein UEFA-Cup Spiel der Männer gepfiffen. Wie schafft man eine solche Karriere?

Nicole Petignat: Ich hatte auch Glück, weil mich die Fußballverbände in der Schweiz und Österreich als Frau akzeptiert haben. Es gibt Länder, wo das nicht so ist. Am Anfang habe ich immer mehr Lob bekommen, wenn ich gut gepfiffen habe, und mehr Kritik, wenn ich schlecht gepfiffen habe. Mittlerweile werde ich wie meine Kollegen behandelt. Fußball ist eben mein Hobby.

Die Furche: Wie sind Sie überhaupt zum Fußball gekommen?

Petignat: Es war Zufall: In der Schule haben einmal bei einem Turnier zwei Buben gefehlt. Meine Zwillingsschwester und ich waren sehr sportlich, deshalb hat man uns gefragt, ob wir mitspielen wollen.

Die Furche: Warum sind Sie nicht Spielerin, sondern Schiedsrichterin geworden?

Petignat: Ich wollte immer lieber spielen als pfeifen. Aber bei uns im Kanton Jura hat es einfach keine Frauenmannschaft gegeben. Deshalb hat man uns gefragt, ob wir nicht Schiedsrichter werden wollen. Und weil meine Zwillingsschwester das nicht alleine machen wollte, bin ich zum Spaß mitgegangen. Nach drei Jahren ist dann meine Schwester schwanger geworden und hat aufgehört. Ich wollte aber weitermachen und sehen, wie weit ich komme.

Die Furche: Sie kamen als erste Frau auf die Liste der "Welt-Schiedsrichter des Jahres 2003" und rangieren auf Platz 16. Im Stadion selbst wird man aber oft zum Feindbild der Fans...

Petignat: Ich pfeife nicht für die Fans, sondern für den Fußball. Die Fans muss ich ignorieren. Ich weiß, wenn ich einen Strafstoß gegen die Mannschaft gebe, gibt es Reaktionen: Die Fans wollen ja ihre Spieler schützen und nicht verlieren. Deshalb stelle ich mir am Fußballplatz oft vor, dass ich um mich herum einen durchsichtigen Ball habe, um mich zu schützen. Ich muss ja neutral sein - und fair gegenüber den Spielern und Trainern. Ob sich die Zuschauer ärgern, ist nicht mein Problem. Bis jetzt habe ich nie Angst vor Fans gehabt, obwohl viele schon unanständig sind oder Gegenstände auf den Platz werfen. Doch das ist mir egal.

Die Furche: Der Frauenfußball befindet sich international im Aufwind. Worauf führen Sie das zurück?

Petignat: Bis 1999 gab es kein großes Interesse. Das hat sich mit der Frauenfußball-WM in den USA geändert. 2003 sind die deutschen Fußball-Frauen ja sogar Weltmeister geworden. Wenn ich heute in Deutschland oder Schweden pfeife, sind die Stadion oft ausverkauft. In der Schweiz und in Österreich gibt es aber bis heute nicht sehr viele Zuschauer. Das ist immer so: Wenn man Erfolg hat, dann füllt sich auch das Stadion.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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