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Wohlfahrtssport

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Was auch immer in Osterreich gespielt werden mag: Fußball ist es nicht, das hat das Nationalteam nun oft genug bewiesen. Dabei ist die Niederlage gegen die CSSR nur deshalb so glimpflich ausgefallen, weil deren Mannschaft nicht eigentlich besser, sondern nur weniger schlecht gespielt hat.

Das (hoffentlich schon vergessene) Spiel in Brünn war immerhin lehrreich gewesen, denn volle 30 Minuten lang hat es schonungslos die Wahrheit bloßgelegt: daß in Österreich nicht einmal mehr die „Stars“ dieses Sports ihr — wenn man so sagen darf — Handwerk beherrschen. Witz oder ?ar Genie verlangt in dem Land, das einstens ein Wunderteam tiatte, sowieso schon längst niemand mehr; aber wenn die Spieler nicht einmal mehr imstande sind, freistehend den Ball anzunehmen und gezielt weiterzugeben — vom Erkämpfen des Balles, vom Dribbling, vom Austricksen des Gegners, vom Kopf ball -;piel usw. ganz zu schweigen —; wenn der Sturm aus gut einem halben Dutzend echter Chancen nicht ein einziges Tor herausschießt; und wenn die Spieler so-*ar in einem an sich langsamen Match in der letzten halben Stunde über das Spielfeld nicht mehr laufen, sondern nur noch mechen: dann sind das die unwiderleglichen Beweise dafür, daß die Sportler längst aufgehört naben, an sich zu arbeiten. Ein Sindelar wird man nicht ohne Beladung; aber Ballbehandlung md Schußvermögen kann man erlernen, Kondition kann man erwerben.

Die Niederlage war keine nationale Katastrophe, aber sie war ;in Symptom. Denn sie resul-:ierte ja nicht aus einer verfehlten Aufstellung oder einer falschen Taktik, sondern rührt zu-:iefst von jener Mentalität her, die im Volke zunehmend domi-liert. Im exzessiven Sozdalstaat, schwindet die Lust an der Leistung, weil man zu ihr ja nicht Tiehr verpflichtet ist; denn nicht lur im unverschuldeten, sondern auch im verschuldeten, im selbst verursachten Notstand kann man ler Versorgung gewiß sein. Wie schon in den Schulen und Universitäten nicht mehr gelernt, sondern abwechselnd diskutiert und demonstriert werden will, so leh-len natürlich die Fußballer ab,, gewisse Spielzüge einzustudieren, wie etwa jenen, der aus einem Freistoß zum ersten Tor der 2SSR-Mannschaft zwingend geführt hat. Wenn überall in der 3esellschaft der altmarxistische neulinke Slogan von der Abschaffung des Leistungszwanges laut wird: warum sollen die Fußballer dann noch trainieren? Und warum sollen ausgerechnet sie die 90 Minuten durchhalten, da sin Volksbegehren für Arbeitsseitverkürzung erfolgreich war? Seit die Gemütlichkeit sich aufge-nört und der Sozialstaat begonnen hat, ist der von allen Österreichern angestrebte Beruf der des Frührentners, und da sollten ausgerechnet die Fußballer abseits stehen?

Sie stehen nicht abseits — außer natürlich, und eben deswegen, auf dem Spielfeld. In diesem Abseits aber wird bald ganz Österreich stehen.

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