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QUERSCHNITTE

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Dankbarkeit

Mit den geschlagenen Armeen zogen sich nach dem Ende des letzten Krieges aus den bis dahin von der Wehrmacht besetzten Gebieten auch geschlagene Schriftsteller zurück; nach Österreich, das sie zuvor oft wenig freundlich in Schrift, Buch und Rede behandelt hatten. Einer von diesen hatte noch 1944 mit flammenden Worten die Kinder von Wiener Neustadt zum Kampf aufgefordert; nun verhielt er sich, in dem Gastlande. Zunächst schweigend, da ein volksdemokratisch werdendes Nachbarland seine Auslieferung begehrte. Dann wieder, wie früher, mit Wort und Schrift und Rede. Bereitwillige Verlage brachten in Massenauflage seine Bücher heraus, bereitwillige Buchhändler stellten ihm ihre Schaufenster zur Verfügung.

Als ein kleines Zeichen der Dankbarkeit läßt nun Bruno Brehm in den „Deutschen Nachrichten" vom 10. September 1952 (Sao Paolo, Brasilien) den vielen Lesern seiner Bücher folgende Botschaft zukommen: die Aufgabe Österreichs „war, im ganzen 19. J(ahrhundert den Rückzug des Alten zu decken und Niederlage um Niederlage zu erleiden, bis sie (die Monarchie) in diesen Rückzug das Deutsche Reich und das deutsche Volk mit hineingezogen hat". — „Will man wissen, wie Österreich, mit nationalen Augen gesehen, sich ausnahm, dann lese man in Hitlers ,Mein Kampf’ und in den Erinnerungen von Benesch, Masaryk oder Kossuth nach." „Solange es (Österreich) einsperren konnte, sperrte es seine Gegner ein. Es gab damals mitten in Europa ein Sibirien, das in Italien und in Ungarn nur mit bleichen Lippen ausgesprochen wurde: den Spielberg von Brünn, die Kasematten von Munkacs und Arad und Franzensfeste." Im Schlußteil dieses Aufsatzes heißt es dann: „Deshalb ist es besser, man spricht über die österreichische Aufgabe in der Zukunft möglichst wenig."

Wir vergaßen, den Titelkopf dieser Botschaft über Österreich zu nennen, er heißt: „O du mein Österreich!“.

O du mein Österreich — wann wirst du es lernen, deine Freunde zu erkennen, anzuerkennen, und dich von deinen Feinden sauber und klar zu scheiden?

Das Volk und sein Lied

Einem großen Patrioten, untadeligen Ehrenmann und wahrhaft guten Christen, dem verstorbenen Bernhard Graf zu Stol- berg-Stolberg, bereitete die Bevölkerung von Hall in Tirol dieser Tage ein würdiges Begräbnis. Ein Major a. D., der sich als Sozialist zu bekennen pflegt, schreibt darüber im unabhängigen „Haller Lokalanzeiger“ (Nr. 39 XXV) einen loyalen, ausführlichen Bericht, der in schönster Weise die Achtung und Liebe, deren sich der Verstorbene übers Grab hinaus auch im einfachen Volke erfreut, widerspiegelt. Noch ein anderes fällt an dem Bericht auf. Es heißt darin an einer Stelle: „Nach dem Ab spielen der alten Volkshymne gedachte " Es ist nichts davon zu lesen, daß irgend jemand daran Anstoß genommen hätte, obwohl dem Be gräbnis hohe Vertreter von Land und Gemeinde sowie der französischen Garnison beiwohnten. Der Bericht gibt im Gegenteil die ganze Würde der Feier wieder — und die Ergriffenheit, mit der die breite Masse auch der Hymne folgte.

Ohne überbesorgtes Wenn und Aber, ohne Gebot (das noch immer aussteht) und Verbot (das es nicht gibt und nicht geben kann) „von oben" abzuwarten, |ia.t sich damit das einfache Volk Österreichs in seinem natürlichen Empfinden zu jenem Lied bekannt, das ihm immer schon gehört hat und über alle Umwege höherer Diplomatie der Ersten und Zweiten Republik verblieben ist. Und darum hieß es auch immer schon: „die Volkshymne“.

Erfolg und Charakter

Vor kurzem erwies sich ein österreichischer Fußball-Altinternationaler als Lehrmeister und Lebensphilosoph. Er hielt eine wohlgesetzte Rede, der wir — komprimiert — die folgenden Sätze entnehmen:

„Bei den Fußballklubs werden die wichtigsten Funktionen ehrenamtlich ausgeübt. Die Funktionäre führen ein untadeliges Privatleben. Sie sind in ihrem Beruf und in der Gesellschaft sehr angesehen und würden nichts unternehmen, was man nicht gutheißen könnte. Diese Funktionäre sind aber sofort bereit, krumme

Wege zu gehen, sobald es sich um Klub und Spieler handelt. Sie lassen sich in ihrer Leidenschaft leider dazu hinreißen, jedes Mittel gutzuheißen, das ihre Mannschaft scheinbar spielstark macht. Daß sie auf weite Sicht ihren Vereinen damit nur schaden, wollen sie nicht wahrhaben. Sie decken die ärgsten Ungehörigkeiten. Falsche Zeugenaussagen dieser Männer sind im Sport an der Tagesordnung.“

Also: Fußball verdirbt Charakter? Fußball?

Nein. Hier handelt es sich um ein Symptom unseres öffentlichen Lebens überhaupt. Auf der Jagd nach dem Erfolg wird jedes Mittel recht geheißen, und im Gärtchen untadeligen Privatlebens und unter dem Mäntelchen bürgerlicher Biederkeit finden die kleinen und größeren Katastrophen unserer Gegenwart statt. Übernehmen wir ruhig die Metapher: Oft geht es auch um Zenterstürmer und gefährliche Rechts- und Linksaußen dabei

Jedenfalls danken wir diesem Manne für seinen Mut, in seinem Sektor gewisse Krankheitszeichen aufgezeigt zu haben, die sich wahrscheinlich auf unser ganzes diesseitiges Leben erstrecken. Deshalb wollen wir uns seine Worte notieren. Vorsichtshalber. Um für alle Fälle gewappnet zu sein, falls auch anderswo einmal Erfolg und Charakter aneinandergeraten sollten — zu unserem Schaden!

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