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Exeget, Dichter und Philosoph

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DIE PHILOSOPHIE MARTIN BUßERS. Von Arno Anzenbacher. Verlar A. Schendl. Wien, 1965. 118 Seiten, kart. S 87.—

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DIE PHILOSOPHIE MARTIN BUßERS. Von Arno Anzenbacher. Verlar A. Schendl. Wien, 1965. 118 Seiten, kart. S 87.—

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M. Buber ist zweifellos einer der bekanntesten Denker unserer Zeit, dessen Werk sich nicht nur internationaler, sondern auch alle Gesellschaftskreise umfassender Popularität erfreut. Seine Bücher vermochten gerade in jüngster Zeit gewaltige Erfolge an Auflagen und Übersetzungen zu erzielen; Auszüge aus den verschiedensten Schaffensbereichen liegen in Taschenbuchausgaben vor; nach den gegenwärtigen Anzeichen zu schließen, dürfte die außerordentliche, von Buber ausstrahlende Anziehungskraft noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht haben. Buber ist ein ebenso genialer Übersetzer und Exeget der Heiligen Schrift wie sprachgewaltiger Dichter, der die Lebensform und Geistigkeit der Chassidim in Anekdoten und Essays, in Novellen- und Romanform in gegenwartsnaher Aussage zu gestalten vermochte; zugleich war er, der Philosoph des dialogischen Prinzips, ein international bekannter Vertreter des geistigen Widerstandes gegen die Tyrannei des Nationalsozialismus.

Fragt man nach dem Grund dieser erstaunlichen Breitenwirkung des umfangreichen Schrifttums dieses faszinierenden Philosophen, so dürfte man wohl folgende Tatsachen anführen: Zunächst kommt die philosophische Botschaft des „dialogischen Prinzips“ in ihrer Einfachheit und Eindringlichkeit den Bedürfnissen des heutigen Menschen zutiefst entgegen. Sodann spricht gerade die „Verkündigung einer Religiosität jenseits aller konfessionellen Bindung, die sich ganz aufbaut auf der Konlkretheit des menschlichen Zusammenlebens und durch ' ihren Irrationalismus von allem inhaltlichen Fürwahrhalten dispensiert“, die den Konfessionen Entfremdeten und von den verschiedenen Spielarten des Materialismus Abgestoßenen besonders stark an.

Martin Buber hat kein größeres systematisches Werk geschrieben. Seinem philosophischen Gesamtwerk eignet vielmehr ein ausgesprochen essayistischer Charakter. Gerade aus diesem Grund wird man für die vorliegende Arbeit, die den „geschlossenen Zusammenhang“ zu finden versucht, den Buber für sein Werk in Anspruch nimmt, besonders dankbar sein. Der Verfasser, ein Schüler I. M. Bochenskis, gliedert sie in drei Teile: Nach einer reichhaltigen, aber knapp gefaßten Übersicht über das Leben und die geistige Entwicklung Bubers untersucht er zunächst die Ursprünge seiner Philosophie in der teils jüdischen, teils neuzeitlichabendländischen Tradition. In diesem Zusammenhang entwirft er einen überaus beachtenswerten Überblick über den Werdegang der sogenannten Ich-Du-Philosophie von Hamann und Jacobi über Fichte, Schelling, Feuerbach und Kierkegaard zu Buber, Jaspers, Marcel, Rosenzweig und Ebner. Der Hauptteil unternimmt sodann den Versuch einer Systematisierung der Philosophie Bubers. Dem Verfasser geht es dabei nicht so sehr um eine bloße Zusammenfassung und Ordnung der in den einzelnen Werken Bubers entwickelten Gedankengänge als vielmehr um .eine originäre und systematisch denkerische Bewältigung der Grundgedanken der Buber-schen Philosophie. In fünf inhaltlich dichten Kapiteln vermittelt Anzenbacher das Verständnis des „zwiefäl-tigen Ich“, der Grundworte Ich-Es und Ich-Du; Gott als Du und als Es sowie die Welt als Du und Es. Die kritische Auseinandersetzung mit der Lehre M. Bubers untersucht im Schlußteil nicht nur die methodischen Bedingungen der Möglichkeit der Buberschen Philosophie, sondern unterstreicht zugleich auch durch zahlreiche Hinweise und Vergleiche bezüglich der ähnlichen Situation bei Jaspers und Marcel den Zusammenhang mit dem zeitgenössischen Existentialismus.

Die wohltuende Klarheit im Aufbau sowie die strenge Sachlichkeit der Gedankenführung machen die vorliegende Arbeit, die ein umfassendes und kompaktes Bild vom Leben und Werk des Menschen und Philosophen Martin Buber liefert, für den interessierten Leser zu einem hohen Genuß.

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