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Wege zur Wiedervereinigung

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JOHANN ADAM MÖHLER: SYMBOLIK oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten. Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Josef Rupert Geiselmann. Jakob Hegner, Köln-Olten. H8 und 773 Seiten. Preis 44 DM.

Man wird es kaum glauben, daß dieses berühmte Werk seit 35 Jahren nicht mehr neu aufgelegt wurde, nachdem es zwischen 1832 und 1924 immerhin 25 Ausgaben erlebt hat. Im Auftrag des mutigen Jakob-Hegner-Verlags hat der unumstrittene Möhler- Spezialist anschließend an die kritische Ausgabe der Jugendschrift „Die Einheit der Kirche” nun auch die reifere „Symbolik”, dieses klassische Denkmal katholischen Glaubens und theologischer Wissenschaft, mustergültig ediert. Dem vorliegenden Textband mit der ungewöhnlich wertvollen Einleitung des Herausgebers wird ein zweiter textkritischer Teil mit Textgeschichte und Sachkommentar folgen. Daraus wird noch klarer ersichtlich werden, welch eine erstaunliche Arbeit geleistet wurde. Man bedenke, daß mehr als zwei Drittel des Autographs nach dem zweiten Weltkrieg verlorengegangen sind. Trotzdem konnte der Herausgeber den ursprünglichen Text, der sich mit den zunehmenden Auflagen immer mehr verschlechterte, in Reingestalt wiederherstellen. Man möchte sogar behaupten, daß dieser Text einwandfreier ist als der von Möhler selbst, da Geiselmann Möhlers Ungenauigkeiten und Fehler — besonders in der Zitationsweise — ausgemerzt hat. Bei einer Neuauflage müßten jedoch drei Wörter der niederländischen Uebersetzung folgendermaßen ausgebessert werden: strijdpunten, derzelver und Hoogduitsch (S. 35). Der Herausgeber kann von der Dankbarkeit aller Benützer überzeugt sein, die mit ihm der Meinung sind, daß Philologie noch immer die nicht zu umgehende Grundlage aller geistesgeschichtlichen Arbeit ist. Darüber hinaus hat er nicht nur eine unbekannte Abhandlung Möhlers über die Wichtigkeit des Studiums der Symbolik sowie dessen unglaublich fesselnden Ueberblick über die Geschichte dieses Gegenstandes veröffentlicht, sortdern auch noch eine Einleitung beigesteuert, in der zum Beispiel gewisse Zusammenhänge Möhlers mit Veronius, mit seinem Lehrer Drey, Schelling und besonders mit Hegels Dialektik aufgezeichnet werden. Letztere Beziehung ist gewiß äußerst interessant, aber keineswegs so aufsehenerregend, wie es im ersten Augenblick erscheinen möchte. Geiselmann zeigt nämlich, daß Möhler das Instrument der Hegelschen Dialektik souverän bespielt und sie nach eigener Ansicht selbstherrlich abwandelt. Dadurch ist dieses Verfahren — wie auch in Rankes dialektischem Historismus — ein Vorgang zweiter Linie geworden, denn für Möhler hatte das kritisch-historische Erfassen des tatsächlich Gegebenen weitaus den Vorzug.

Da die Wiedervereinigung der Kirchen erneut an Aktualität gewonnen hat, wäre gerade dieses Meisterwerk ein Beispiel, wie wir uns die Möglichkeiten und die Voraussetzungen für ein fruchtbares „Gespräch” erarbeiten könnten. Der große Tübinger beschränkt sich zwar auf die dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten, so daß die Lehrmeinungen der abgetrennten orientalischen Kirchen nicht zur Sprache kommen, aber für jeden Dialog bĮpibt das vpn ihm aufgestellte Prinzip von größter Bedeutung, daß man die Gegensätze nicht durch einen falschen Neutralismus verwässern darf. Daher sei die schärfste Herausstellung der Unterschiede notwendig, nur müßten sie im irenischen Geist und nicht mehr in polemisch-verletzender Art oder in der Form der überlebten Kontroverstheologie dargestellt werden. Nicht weniger wichtig ist die Forderung, daß Unwesentliches aus der Diskussion auszuscheiden sei, damit das Hauptgespräch sich auf die offiziellen Lehrmeinungen konzentrieren könne. Alle diejenigen — Priester oder Laien — für die Theologie nicht ein „Fach” oder ein interessantes Studienobjekt, sondern eine Herzensangelegenheit ist, werden in diesem klassischen Werk ein Muster entdecken, wie Theologie mit allem seelischen Vermögen und vor allem mit innerer Anteilnahme zu betreiben wäre.

EINSAME ZWIEGESPRÄCHE. Martin Buber und das Christentum. Von Hans Urs von Balthasar. Jakob Hegner, Köln-Olten, 129 Seiten.

Es ist tragisch, daß gerade Martin Buber, den man doch wohl als einen der Wiederentdecker des fruchtbringenden, Dialogs bezeichnen kann, in seinem Buch „Zwei Glaubensweisen” die Meinung vertritt, Judentum und Christentum seien „irreduzibel”.’ Somit wäre eine wesentliche Annäherung ausgeschlossen und jeder Versuch, zu einem wirklichen Gespräch zu kommen, a priori zum Scheitern verurteilt. Trotzdem hat Urs von Balthasar zuerst in der Zeitschrift „Wort und Wahrheit” und jetzt in dieser ausführlicheren Abhandlung mit großer Sachkenntnis und liebevoller Einfühlungsgabe das Wagnis unternommen, doch Wege zu einem Dialog anzubahnen. Ebenso wie Möhler vertritt it die Meinung, daß die Unterschiede so scharf wie möglich herausgestellt werden müssen, um späteren Enttäuschungen vorzubeugen: „Gespräche lohnen sich dort, wo sie schwierig sind und nicht anders durchzuhalten sind als im Kampf.” Er geht aber einen Schritt weiter als Möhler, der sich an einer möglichst sachlichen, innerlich zusammenhängenden Darstellung der Gegensätze hielt. Der Verfasser lenkt die Aufmerksamkeit gerade auf jene Punkte, die revidiert werden könnten und müßten. Bei Buber sind dies manche falsche Auslegungen christlicher Lehren, vor allem seine eigenen Widersprüche und Inkonsequenzen, die gerade den Dialog verbauen; bei den Christen fehlt eine auch für diesen Zweck erneuerte und vertiefte Interpretation des Römerbriefes, Kapitel 11, ferner ein Confiteor über begangene Fehler und die Berücksichtigung gewisser Heilswirklichkeiten, die das Judentum klarer hervorhebt. Neben dem Herausgeber und den Mitarbeitern des amerikanischen Jahrbuchs „The Bridge” (besonders im jüngsten 3. Band) gebührt dem Verfasser die Anerkennung, daß er den längst fälligen Dialog — trotz Bubers Einwändevr- wieder in Gang gesetzt hat.

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