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Möhlers Erstlingswerk in reiner Gestalt

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Der immer einfallsreiche Jakob-Hegner-Verlag, der eine kritische Ausgabe aller Werke Möhlers plant, hat die Bearbeitung der „Einheit“ — und wahrscheinlich auch der anderer Werke — einem Manne übergeben, der wohl als der beste Kenner auf diesem Gebiet anzusehen ist. Dafür sprechen Geisel-m a n n s grundlegende Forschungen über Möhlers zeitgenössische Theologie und besonders das Fundamentalwerk „Die theologische Anthropologie Johann Adam Möhlers“ (1955). Aeußerlich gesehen, präsentiert sich die Ausgabe in ihrem eleganten Kleinformat mit flexiblem Einband als ein Buch, .das für einen .breiteren Leserkreis bestimmt ist. Gleichzeitig aber werden wir hier mit einer textkritischen Ausgabe beschenkt,; die dieuhöchste, Bewunderung, .und, Aberkennung verdient, denn auch ein beträchtlicher Teil der ursprünglichen Handschriften der „Einheit“ ist ein Opfer des zweiten Weltkriegs geworden. Trotzdem ist es Geiselmann gelungen, die ursprüngliche Textgestalt wiederherzustellen und sogar eine genaue Textgeschichte des Werkes — Urform, zweites Autograph, eine kalligraphische Abschrift anderer Hand, die Ueberarbeitung dieser Abschrift durch Möhler, andere Vorentwürfe, Materialsammlungen und Zusätze — vorzulegen. Die schwierigste und langwierigste Aufgabe war wohl die Verifikation der vielen falschen und mangelhaften Zitate Möhlers, denen der Herausgeber mit bewunderungswürdiger Ausdauer und Sachkenntnis beinahe ausnahmslos auf die Spur gekommen ist.

Der vorliegende Band eröffnet mit einer geistesgeschichtlichen Einführung von 91 Seiten, in der Möhlers Hauptgedanken auf dem Hintergrund der zeitgenössischen Theologie skizziert und in ihrer Ursprünglichkeit — auch mit gewissen Schwächen — erläutert werden. Von Wien aus hat A. Günther in seiner „Vorschule für spekulative Theologie des positiven Christentums“ (1829) nicht ohne Grund gegen diese Schwächen polemisiert, und das war wohl auch der Grund, warum die Einfuhr von Möhlers Buch in Wien verboten wurde. Diese Mängel hat aber keiner lebhafter empfunden als Möhler selbst, der bald nach der „Einheit“ den großen Strukturwandel seines Kirchenbildes im „Athanasius“ und vor allem in seiner „Symbolik“ dar-.

legte. Es folgt dann der Text der „Einheit“ und der dazugehörigen Zusätze (1 bis 315) in ihrer reinen Gestalt, so daß der unbefangene Leser weder durch Anmerkungen noch durch den wissenschaftlichen Apparat abgelenkt wird. Zum „Verständnis der Texte“ dient die Textgeschichte des Herausgebers (319 bis 535), der fast in letzter Minute eine bahnbrechende Entdeckung gemacht hat, die die lückenlose Rekonstruktion ermöglichte. Im textkritischen Kommentar werden Möhlers Quellenangaben überprüft und richtiggestellt (537 bis 583). Das ganze findet — abgesehen von den unerläßlichen Registern — seinen Abschluß in einem sachlichen Kommentar, der auf die geistesgeschichtliche Einführung .anschließt und den. theologischen Inhalt, — und damit | auch Möhlers .Entwicklung — näher- beleuchtet ( (586 bis 628).

Vor allem ist es zu begrüßen, daß wir die „Einheit“ wieder in einer brauchbaren — dazu noch textkritischen — Ausgabe besitzen, nachdem das Werk (1825) im Jahre 1843 gegen den Willen des Verfassers völlig unverändert herausgegeben wurde und erst 1925 eine kritische Ausgabe von Vierneisel erlebte. Dieses Erstlingswerk, das ein theologisches Genie mit 29 Jahren veröffentlichte, hat nicht nur die damalige jüngere Theologengeneration begeistert und beglückt, sondern ist auch jetzt noch ein Buch, das die heutigen Leset fesselt. Gerade seine Grundidee — die Kirche als Leib Christi — vermögen wir besser zu verstehen und tiefer zu erleben als Möhlers Zeitgenossen. Dazu kommt noch die eigentümliche Frische, das Ebenmaß der Sprache Möhlers, der wie wenige mit der klassischen deutschen Literatur vertraut war, vor allem aber seine Begeisterung für das Thema, von dem er erfüllt und „nur zu leicht fortgerissen war“, wie Möhler selbst bekennt.

Es ist zu hoffen, daß Herausgeber und Verlag die Möglichkeit finden, die nächsten Bände bald folgen zu lassen, denn Möhler ist noch immer — oder gerade jetzt — eine fruchtbare Quelle für die theologische Inspiration und Reflexion. Auch das bestätigt diese formvollendete Ausgabe, die eine äußerst glückliche Verbindung zwischen positiver und systematischer Theologie darstellt.

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