Conversión!, das heißt: UMKEHR!

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Papst Franziskus erhebt am kommenden Sonntag den salvadorianischen Märtyrerbischof Óscar Arnulfo Romero (1980) zur Ehre der Altäre.

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Papst Franziskus erhebt am kommenden Sonntag den salvadorianischen Märtyrerbischof Óscar Arnulfo Romero (1980) zur Ehre der Altäre.

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Der Märtyrerbischof gilt schon lange als Schutzpatron Amerikas. Die Episcopal Church in den USA nahm Óscar Arnulfo Romero y Galdámez (1917-80) 2006 probeweise in ihren Heiligenkalender auf. An der Westfassade der Westminster Abbey in London steht er in einer Reihe mit den "Märtyrern des 20. Jahrhunderts": zwischen Martin Luther King und Dietrich Bonhoeffer platziert. Staatspräsident Mauricio Funes (2009-14) bezeichnete Monseñor Romero als "Lehrer und Leitfigur", das salvadorianische Parlament erklärte den 24. März (Romeros Todestag) zum nationalen Gedenktag. Nur in der katholischen Kirche hat alles gedauert. Sehr lange. Obwohl Papst Johannes Paul II. an seinem Grab in der Krypta der Kathedrale von San Salvador betete und im Jubiläumsjahr 2000 darauf bestand, Romero eigens zu erwähnen. Unter dem argentinischen Papst Franziskus ging dann alles im Eiltempo. Er machte die Kanonisierung zur Chefsache: Seligsprechung am 23. Mai 2015 (in El Salvador). Mit der Heiligsprechung am 14. Oktober 2018 (in Rom) wird die nationale Ikone Romero in den Fokus der Weltkirche gerückt. Schaut her, sagt Franziskus damit, das ist ein Bischof, wie ich ihn mir wünsche: an der Seite der Armen, Ausgegrenzten und Unterdrückten!

Kirche kann nicht "unpolitisch" sein

Damit wird auch aufgeräumt mit der Ansicht, die Kirche habe unpolitisch zu sein. Sich herauszuhalten. Genau das war die Absicht, als Romero 1970 zum Weihbischof von Salvador und 1974 zum Diözesanbischof von Santiago de Maria ernannt wurde. Er galt als linientreu. Als er drei Jahre später zum Erzbischof von San Salvador aufrückte, war er der Wunschkandidat des Establishments, für die die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats (CELAM) in Medellín (1968) ein Alarmsignal gewesen war -wegen der dort formulierten "vorrangigen Option für die Armen". Der Klerus war enttäuscht. Er hatte mit Arturo Rivera y Damas (seit 1960 Weihbischof, 1983 Romeros Nachfolger) gerechnet.

1917 geboren, 1942 in Rom zum Priester geweiht, Dorfpfarrer, Bischofssekretär, Chefredakteur einer Wochenzeitung, der wegen seiner konservativen Blattlinie die Abonnenten massenhaft davonliefen, Sekretär der Bischofskonferenz: Das sind Stationen eines Lebens, das klerikale Kontinuität garantierte.

Eine Schlüsselszene im mehrfach ausgezeichneten Film "Romero"(1989) mit Raúl Juliá in der Hauptrolle bringt es auf den Punkt. Ich habe mir den Film des australischen Regisseurs John Duigan erneut angeschaut. Zwei Bischöfe, einer von ihnen der Militärbischof, unterhalten sich vor der ersten Messe des neuen Erzbischofs von San Salvador: "Seine Wahl ist ein guter Kompromiss. Er wird keine Wellen schlagen." - "Er ist ein Bücherwurm. Das ganze Land könnte Amok laufen, und er würde es nicht einmal bemerken." - "Das Militär wird alles unter Kontrolle haben." - "Das müssen sie auch. Und Sie kriegen vielleicht einen neuen Orden." - "(Grinsen) Vielleicht. Wie auch immer: Seine Gesundheit ist labil. War sie immer. Er wird nicht lange aushalten." Daraufhin faltet der andere Bischof seine Hände, schaut zum Himmel und meint: "Ja, schenke ihm bald einen schönen Tod!" Daraufhin ertönt Orgelmusik. Die Messe beginnt

Aber die Szene fängt ein, was man von Romero erwartete: Distanz vom politischen Alltag. Schweigen zur Ungerechtigkeit. Papst Franziskus beklagte in einer Ansprache im Oktober 2015, das Martyrium Romeros habe sich auch nach seinem Tod fortgesetzt. Auch von Priestern und Bischöfen sei er "diffamiert, verleumdet und beschmutzt" worden. Franziskus hat es selbst mitbekommen: "Wie oft werden Menschen, die schon ihr Leben hingegeben haben und tot sind, weiterhin mit dem härtesten Stein gesteinigt, den es auf der Welt gibt: der Zunge."

Seine Zunge hielt Romero nicht mehr im Zaum. Kontakte zur Landbevölkerung, das Erleben von Armut, Ausbeutung und Unterdrückung und dann 1977 die Ermordung seines Freundes, des Jesuiten Rutilio Grande, brachten die Wende. Es war eine Bekehrung! Conversión! wurde künftig eine der wichtigsten Vokabeln in den viel beachteten Predigten des Erzbischofs, der über Nacht zum Anwalt der Armen wurde. Am Ende jeder Predigt verlas er eine Liste mit den Namen von Ermordeten. Der Anfang dessen, was man später "das Wunder Romero" nannte. Romero verstand, dass soziale Probleme nicht mit bloßer Wohltätigkeit gelöst werden können. Estar con la gente, mit den Menschen sein, ist Anliegen der Befreiungstheologie.

Anwalt des "dialogischen Nachdenkens"

Freunde und Bekannte hatten längst Veränderungen bei Romero wahrgenommen. Die rechte Presse schoss sich auf ihn ein und schaltete ganzseitige Anzeigen gegen Romero. Er werde von Jesuiten manipuliert. Papst Paul VI. wurde aufgefordert, einen Exorzismus an Romero zu vollziehen! Romero ließ sich beim Abfassen seiner Hirtenbriefe helfen. Er installierte drei Beratergremien: für pastorale, für juristische und für soziale Fragen -das Ende eines hierarchischen, spirituell überhöhten Kirchenmodells, in dem von oben nach unten durchregiert wird. Partizipation auf lokaler Ebene: "Wir können nicht autoritär reden", sagte er, "sondern wir müssen zum dialogischen Nachdenken im Licht des Evangeliums einladen".

Das könnte Franziskus gesagt haben! Nun wird er Óscar Romero heiligsprechen. Zusammen mit Paul VI. ( 1978), der Romero ins Bischofsamt berufen hat, und vier weiteren Kandidaten. Viele hoffen, dass Franziskus auf dem Weg zum Weltjugendtag in Panama im Jänner 2019 einen Zwischenstopp in El Salvador einlegen wird.

Romero war bzw. wurde ein prophetischer Bischof -davon lässt sich auch hierzulande lernen. Wer sich auf die Menschen einlässt, muss Partei ergreifen, widersprechen, auftreten -und darf sich nicht in seinem Palais verschanzen oder hinter frommen Phrasen verstecken. Wir müssen auch in der Kirche -und als Kirche -immer mehr vom abstrakten Denken zum konkreten Handeln kommen. Franziskus ehrt mit dieser Heiligsprechung die Bekehrung eines Bischofs. Und regt damit die Bekehrung der Kirche zu den Armen an.

Óscar Arnulfo Romero 2015 wurde der ermordete Erzbischof von San Salvador seliggesprochen. Am 14. Oktober nimmt ihn Papst Franziskus ins Verzeichnis der Heiligen der katholischen Kirche auf.

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