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Ernst Molden und Nikolaus Similache werfen einen persönlichen Blick auf die "alte Seele" Wiens.

Wien-Bücher gibt es wahrlich zur Genüge. Reiseführer, Kaffeehausliteratur, WienRomane und so weiter und so fort. Und viele von ihnen baden ausgiebig und zur Genüge in Klischees. Da gibt es das allseits beliebte Wiener Original, den Wiener Grant und die Wiener Ringstraße, den Heurigen und den Herrn Ober, bei dem sich der Gast sein Ansehen erst verdienen muss. Da gibt es die Licht- und Schattengestalten, die Prunkbauten und engen Gasserln und irgendwo mittendrin wohnt der Wiener Charme. Aber ist das wirklich schon alles gewesen?

Ernst Molden, selbst ein eifriger Wien-Schreiber, wagt das Unterfangen, in dieser Fülle an Stadtliteratur einen weiteren - und irgendwie neuen - Beitrag zu leisten. Mit dem gewohnten Blick von innen versucht er den Augenschein von außen, bewusste Distanzierung und Beobachtung eines Phänomens, das einen doch tagtäglich gefangen hält. "Dieses Mütterchen hat Krallen", wie Kafka seine Heimatstadt Prag charakterisierte, angesichts der Lektüre von "Wien. Hinweise zum Umgang mit einer alten Seele" scheint sie nur allzu gut auch hierher zu passen. Da schlendert ein Schlafloser nachts durch die Straßen, treibt sich ein Ballmuffel in der Februarsaison herum, von den Zuckerbäckern zu den Schaustellern, und findet sich schließlich selbst auf einer von Nikolaus Similaches Fotografien, die den Band - nicht nur - untermalen: vor "impulstanz"- Plakaten im Café Alt Wien, nach der Stimmung zu schließen zu fortgeschrittener Stunde: "Wien ist eine Meisterin des ganz Allmählichen." Und des Alltäglichen, möchte man hinzufügen.

Es ist einerseits wie eine Reise in die Stadt, mit den Kapiteln "ankommen" und "abreisen", und doch ist man immer schon dagewesen. Der Band bewegt sich zwischen den Polen "drinnen" und "draussen", "tag" und "nacht", "einst" und "jetzt", "tote" und "lebendige" - und zeigt keinerlei Tendenz, sie gegenüberzustellen. Polarisierung ist Moldens Sache nicht. Stattdessen ergeht er sich in launigen Schilderungen, die amüsant zu lesen sind, spielerisch mit bekannten Stereotypen umgehen und das Besondere im Einfachen suchen - und finden. Nikolaus Similaches Schwarz-Weiß-Fotografien, Ausgangspunkt und viel mehr als Illustration dieses gelungenen Wien-Querschnitts korrespondieren auch in dieser Hinsicht mit dem Text. Der Begriff "Sehenswürdigkeit" wird hier auf den ursprünglichen Wortsinn zurück erweitert, der sich stark von seiner landläufigen, eingebürgerten Bedeutung unterscheidet.

Dabei geben die beiden uns sogar Tipps: elf Intermezzi führen unter anderem ins Haus des Meeres, in den Bahnhof Wien Mitte, in die Weinberge, auf den Cobenzl oder ganz einfach in die U-Bahn. Es gibt eben überall etwas zu entdecken. Man muss nur den richtigen Blick dafür haben.

WIEN. HINWEISE ZUM UMGANG MIT EINER ALTEN SEELE

Von Ernst Molden. Mit Fotografien von Nikolaus Similache. Deuticke Verlag, Wien 2004. 165 S., brosch., e 23,60

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