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Disneys Bibel-Land

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Pfui, ich mag gar keine Fische!” nieint einer von denen, der am liebsten bei Mc Donalds mampft. „Die fischen doch den ganzen Ozean leer!” kommentiert ein Grünbewegter, und einer, der vom Angeln etwas zu verstehen glaubt, postuliert sehr bestimmt: „Das Netzfischen sollte längst überall verboten sein!”

Solche Wortmeldungen aus einer Schulklasse stammen nicht etwa aus einer Umweltdiskussion über Fischereirechte oder Meeres-Ökologie, sondern von der Besichtigung einer Kirche, in welcher auf einem Altargemälde der reiche Fischfang auf dem See von Genezareth (Lukas 5/6) dar-, gestellt ist. Die heiteren Beaktionen, zu denen die Jugend durchaus berechtigt ist, haben freilich auch einen bedenklichen Hintergrund. Sie beweisen, was mittlerweile Fremdenführer oder Museums-Kustoden bestätigen können: daß nämlich biblische und religiöse Inhalte der Kunstgeschichte oft nicht mehr verstanden werden.

Das kommt davon. Das wird noch ärger werden. Weil der Religionsunterricht nicht „cool” ist. Da mag der zuständige Lehrer noch so ein „lässiger Typ” sein - im Gegensatz zum Katecheten alten Stils, bei dem die sieben Todsünden und die Werke der Barmherzigkeit auswendig zu pauken waren. Um die Ungerechtigkeit gegenüber den Religionsinteressierten

Auflösung aus Furche Nr. 13 /97

(Oster-Preisrätsel) lösungswort: MATTHAEUS

nicht noch weiter ausufern und eine junge Generation von egoistischen Nihilisten aufwachsen zu lassen, soll demnächst für diese ein Ethik-Unterricht eingeführt werden..

Aufmerksame Wirtschafts-Experten beobachten selbstverständlich diese Entwicklung. Denn da tut sich eine künftige Marktlücke auf. Der Absatz von Ribel-Comics für den religiösen „Erklärungsbedarf” wird steigen. Denn irgendwo werden die biblischen Analphabeten ja dann schnell erfahren wollen, was es mit Abraham und König David, mit Herodes und Pilatus so auf sich hat. Da fährt dann der Heilige Geist mit „Huihuuu” hernieder und Jesus veranschaulicht die Tempelreinigung mit „Wumm wumm”.

Zu dumm, daß auf den Altarbildern keine Spruchblasen sind! Und wenn etwas dabeisteht ist es meistens lateinisch - und das ist ja auch so ein „Railast”.

Die Marktlücke klafft weiter. Die Österreicher erkennen sie wieder einmal nicht, sonst hätten sie schon längst ein Ribel-Minimundus geplant. In Amerika gehen sie die Lücke frontal an. Das Projekt heißt „Bibel-Disney-Land” und verspricht eine Action-Schau, die alle Passionsspiele und Breitwand-Bibelfilme in den Schatten stellt. Tödlicher Zweikampf Kain kontra Abel, Schnellbootfahrt durch die Sintflut, simulierter Wüstenmarsch, jede Menge brennende Dornbüsche, Sinai-Gewitter, Manna-Verkostung, Tanz ums goldene Kalb, jede volle Stunde Duell David kontra Goliath, Susanna im Bade (nur für Erwachsene), Schlachten-Panoramen, Löwengrube, Feuerofen ... Moses rennt mit der Gesetzestafel durchs Publikum, in Babylon gefangene Israeliten heulen, die Bundeslade wird umhergetragen, dreimal täglich köpft Judith den Holofernes. Dann Erfrischungsstand „Hochzeit zu Kana” mit Wein- und Cola-Ausschank.

Zweiter Teil Neues Testament: Brotvermehrung mit Verkostung, Wasserski als Wandeln über den See, Prügelei im Vorhof des Tempels, Kreuzweg mit Blutspur, künstliches Golgatha-Erdbeben, Himmelfahrt mit Brillant-Feuerwerk. Da kann keiner „cool” bleiben. Da ist jeder mittendrin, da ereignen sich Wunder am laufenden Rand, da ist endlich was los in der Ribel!

Und unsere verzweifelten Religionslehrer werden staunen, wie profitabel sich verkaufen läßt, was sie für so schwer anbringlich gehalten haben.

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