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Kontrapunkte

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Das letzte Konzert des Ensembles Kontrapunkte war wieder, wie die vorhergegangenen, durch ein gut zu-sammengestelltes, interessantes Pro-gramm und untadelige Ausfiihrung gekennzeichnet. Die von Gottfried Hechtl virtuos geblasene Flotensona-tine von Pierre Boulez ist bereits 1946 entstanden, halt sich aber dank ihrer soliden dodekaphonischen Machart, ihres personlichen Charak-ters und der dankbaren Aufgabe, die sie dem Solisten stellt, immer noch auf einschlagigen Programmen. Den originellen zuweilen an Alban Berg erinnernden Klavierpart spielte Martin Bjelik, der Komponist des nachsten Werkes, eines neuen Ok-tetts, komponiert 1969. Auch dieses Zehnminutenstiick hat wegen seiner klaren Form (A-B-A-B-Coda), seines klanglichen Reizes und seiner leichten ..Durchhorbarkeit" Aussicht auf Bestand. Karl Schiske und Gottfried von Einem waren Bjeliks Leh-rer. AuBer ihnen ist er aber auch, ahnlich wie Boulez, Alban Berg ver-pflichtet.

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Den zweiten Teil des Programmes bildeten zwei Meisterwerke Stra-■winskys: die Burleske „Renard", ur-spriinglich fiir Clowns, Tanzer, Ak-robaten, vier Sanger und 15 Instru-mente geschrieben, sowie „Ragtime", ein Jahr spater komponiert (1918), eine Art Portrat-Typ der in jenen Jahren frisch aus Amerika impor-

tierten Jazzmusik, fiir 11 Instru-mente nebst Zymbal gesetzt (das Strawinsky iibrigens auch in seiner burlesken Kurzoper vorschreibt). Die bekannte Asop-Fabel ist hier ins russisch-folkloristische Milieu trans-poniert, die beiden Tenore und Basse, denen fast Unexekutierbares abverlangt wird, sind wie Instru-mente behandelt, sowohl der Klang des Ensembles, in dem die Bias- und Schlaginstrumente dominieren, wie auch der in dem Stuck entfaltete Humor ist von trockener, barbeiBiger Art, mehr gallisch als russisch im Grunde. Franz hukasovsky, Franz Setzer, Richard Salter und Leopold Spitzer haben sich durch Treffsicher-heit, Taktfestigkeit und kraftiges Timbre ausgezeichnet, die Instru-mentalisten (mit Katherina Zlatni-kova am Zymbal) durch Prazision und sauberes Spiel.

„Ragtime", knapp fiinf Minuten dauernd, ist ein Geniestreich Stra-winskys und sollte ofter vorgefiihrt werden. Uber die in jenen Jahren haufig angestellten Versuche hinaus-gehend, Jazz in irgendeiner Form zu assimilieren, ist es hier gegliickt, noch vor seinem VerschleiB den Pro-totyp einer bestimmten Musikgat-tung darzustellen. Gleichzeitig wird der Komponist der konzertanten Form in hohem MaB gerecht, und auch der unterhaltungslustige Kon-zertbesucher kommt voll auf seine Rechnung. Es ist geistvolles Amusement auf hoher Ebene, von Peter Keuschnig mit sichtlichem Vergnii-gen interpretiert. Ihm ist sowohl das Programm wie seine gewissenhafte Vorbereitung zu danken. Das den Mozartsaal fullende Publikum hat es mit langanhaltendem Applaus getan.

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