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Mißverständnisse

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An den Arbeiten Walter Pichlers (bis 18. November in der Galerie nächst St. Stephan, Wien) ist ihre Wirkung auf Publikum und Kritik das interessanteste Phänomen. Die formale Intelligenz, Geschmack und Sensibilität, der Sinn für Material und die nicht unbeträchtliche handwerkliche Leistung — alle diese Qualitäten sind bloße Mittel für einen Effekt, der dem von des Kaisers neuen Kleidern ähnelt.

Oswald Oberhuber beschreibt in einem Begleittext, „was hier gezeigt wird: Die merkwürdige Ausstrahlung, die Laboratorien und kalte, rationelle Brauchbarkeit auf uns haben. Es wird keine Kopie dessen gegeben, was die Geräte der Wissenschaft und Technik vermitteln, sondern es wird Ähnliches erlebt und hier mit den Mitteln der Kunst dargestellt.“ Schon hier nicht sonderlich präzis, meint Oberhuber später rundheraus: „Die Kunst hat heute nicht

mehr die Funktion, eine Abschrift zu vermitteln.“ Recht verstanden, hält er Pichler also zugute, daß er technisches Gerät nicht naturalistisch abbilde, sondern bloß Impressionen davon gebe.

Derlei Zitate sind notwendig, um zu zeigen, auf welcher Ebene des Begriffs hier eine Interpretation möglich ist. Pichler selbst macht keine Statements. „Pichler ist so unkompliziert, daß ihm das kein Problem ist. Wichtig erscheint ihm, Vergangenes zu mißachten.“ Das erscheint wiederum Oberhuber mindestens so wichtig wie Pichler, ist aber als Programm ebenso dürftig wie Vergangenes zu reproduzieren — Ja im Grunde und praktisch dasselbe.

Aber eben dies macht die magische Faszination dieser Objekte aus: Daß ihnen keinerlei Begriffe entsprechen. Hier wird in einem letzten Dessert gereicht, worum sich niemand mehr bemühen möchte: Die Vereinigung

von Kunst und Technik. Zum Zeitpunkt, da der Kunstwelthandel das Werk zur Ware, die Aussage zur Reklame und umgekehrt macht, da technisches Gerät für Formfragen völlig irrelevant geworden ist, liefert uns jemand die Illusion, diese beiden verbrauchten Kategorien, die niemanden mehr beunruhigen, hätten einander noch einmal befruchtet. Freilich wird — weicht einmal der dumpfe, vernunftlose Respekt, den diese Dinge jetzt abverlangen — ein muffiger Eindruck zurückbleiben.

Oswald Wiener schreibt in einem Begleittext zur (vorausgegangenen) Innsbrucker Ausstellung Pichlers: „da ist die technik. sie ist auch längst nimmer was sie einmal war... raari-netti hat sie angebetet damals in den verrückten zwanzger jähren, walter nicht, walter und oswald werfen einen Schilling rein.“ Einverstanden — aber welche Volte ist nötig, um dieser Technik formale Anregung abzugewinnen, ja von ihr die Autorität des „Fortschritts“ zu beziehen? — „da ist die kunst. sie steht neben der mode und schaut verdattert... die kunst ist gut für den zusammen-

hang, aber sonst arg doof, wollen mal ehrlich sein.“ Einverstanden. Aber: „wie macht das walter? der beherrscht die sache, weil er rangeht ... die Prototypen von Walter sind demnach schnieke. zack da sitzt es. es kommt hin, es haut hin, es ist schön.“ Hier wird auf Kommundkation verzichtet und Jener Nebel er-

zeugt, der nur in der Kunst möglich ist und seine Rechtfertigung im Kunsthandel findet. Es ist — wie in der Politik — die Sehnsucht nach der starken Hand, die das Publikum von Zeit zu Zeit befällt. Und wenn auch die Moderne ihr Rokoko haben muß, verdienen diese Dinge sogar die für sie eingeführte Vokabel: progressiv.

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