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Nicht nur Sestinen

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Das 4. Konzert im Zyklus „Neue Musik“ wurde vom Ensemble „Kontrapunkte“, mehreren Solisten und dem Wiener Kammerchor unter der Leitung Peter Keusch nigs ausgeführt. Der umfangreiche 1. Teil war der Kunstform der Sestina gewidmet. Immer schon fühlten sich Dichter und Musiker versucht, deren kompliziertes und genau fixiertes Schema zu meistern und mit neuem Leben zu erfüllen: angefangen von den Minnesängern bis herauf in unsere Tage.

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Das 4. Konzert im Zyklus „Neue Musik“ wurde vom Ensemble „Kontrapunkte“, mehreren Solisten und dem Wiener Kammerchor unter der Leitung Peter Keusch nigs ausgeführt. Der umfangreiche 1. Teil war der Kunstform der Sestina gewidmet. Immer schon fühlten sich Dichter und Musiker versucht, deren kompliziertes und genau fixiertes Schema zu meistern und mit neuem Leben zu erfüllen: angefangen von den Minnesängern bis herauf in unsere Tage.

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Sechs sechszeilige Strophen mit sechs Reimworten werden von einem Triolet, der dreizeiligen Tornado, abgeschlossen, in der alle Reimworte vereinigt sein müssen. Zunächst sang Franz Lukasovsky, von einer Viola begleitet, eine Sestina des französischen Troubadours Arnaut Daniel, Es folgten, von Frank Hoffmonn gesprochen, Sestinen von Dante und Petrarca, dazwischen Sang der Kammerchor Monteverdis „Lagrima d'Amante al sepolcro d'Amata“. — Damit war das historische Seminar zu Ende, und es folgte Ernst Kreneks Sestina für Sopran und neun Instrumente aus dem Jahr 1958, von Do-rothy Dorow virtuos und treffsicher vorgetragen. Das muß hervorgehoben werden, denn diese durchkonstruierte, auf einer zweiteiligen Zwölftonreihe basierende Komposition auf einen ebenso ausgeklügelten Text zählt zu Kreneks struppigsten Stücken. Aber eine knappe Viertelstunde lang kann man alles aushalten, zumal man den Eindruck einer authentischen Interpretation hatte. Ganz anders war der 2. Teil dieses umfangreichen Programms angelegt. Hier herrschte Leben, zum Teil sogar folkloristisches, und Buntheit. Wie verschieden man das gleiche aus neun Instrumentalisten bestehende Ensemble verwenden kann, exemplifizierten die „Trois Pöemes de Mallarme“ (1913) von Maurice Ravel, der auf die Melodie aber ebensowenig verzichtete wie auf jene Klangzau-

berspiele, die er so meisterlich beherrschte. Musik und Sprache bleiben „klingendes Geheimnis“, und zwar schön klingendes — wozu die Solistin Dorothy Dorow sehr wesentlich beitrug.

Milko Kelemen, 1924 in Kroatien geboren, war unter anderem auch Schüler von Darius Milhaud in Paris. Das hört man deutlich aus seinen fünf Zeifungsinseraten („Inserate Personal Columne“) für Sprecher und Kammerchor, wobei nicht alle Zuhörer die gesungene Todesanzeige lustig gefunden haben mögen. Jedenfalls kann das Gerhard Wim-berger besser. — Ungetrübtes Vergnügen bescherte dagegen Leol Janäöek mit seinen Kinderreimen, die unseres Wissens hier noch nicht aufgeführt wurden. Die 17 Miniaturen für Kammerchor sind musikalische Konzentrate und Kabinettstücke des Humors. Auch Janäcek braucht zur Begleitung neun Solinstrumente, einschließlich Klavier. Ravel, Krenek, Janäcek — so verschiedenartige Komponisten und so verschiedene Texte... Es muß sich bei dieser Besetzung um eine Art „Goldenen Schnitt“ der Kammermusik handeln. — Dem Kammerchor und den Instrumentalisten unter der Leitung Peter Keuschnigs machten diese kleinen, meisterlich gestalteten Stückchen offensichtlich Spaß — und dem Publikum natürlich auch, das für das lehrreiche Sestina-Seminar belohnt wurde...

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