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5000 Abende in der Oper
Zwischen den rot-goldenen Deckeln dieses Buches, das in Kürze im Kindler-Verlag (München) deutschsprachig erscheinen wird, gibt es so viele Seiten zu entdecken wie an der Persönlichkeit seines Autors Rudolf Bing. Es sind witzige, arrogante, aufrichtige Memoiren, in denen Künstler wie Maria Callas, Jussi Bjoerling, Giuseppe di Stefano, George Solti und George Szell, die Gewerkschaften und die Musikkritiker vom Standpunkt des „Manager-tums“ geprüft werden. Bing rühmt den „Stand seiner Kassen“, die in IS von den 22 Jahren seiner Direktion zu 97 Prozent ausverkauft waren — v>as kaum je von einem anderen Opernhaus erreicht wurde.
Nur wenige bedeutende Dirigenten konnten ersprießlich und auf die Dauer für ihn arbeiten. Schuld daran war sein hartnäckiges Beharren auf dem Standpunkt, alle Autorität in seinen Händen zu behalten. Er kämpfte mit allen um seine Autorität und blieb immer siegreich. Im Wesen blieb er ein Detailverkäufer großer Sänger, einer, dem das Verständnis fehlte, einzusehen, daß das Operndrama in der Partitur, nicht aber in der Sängerkehle seinen Ursprung hat. Ein Konservativer, Be-hüter des alten Regimes, wie Metternich, der nach der Revolution 1848 den Rang eines Fürsten erhielt: so überlebte der Chef der „Met“ alle Krisen und Revolutionen, um sich endlich zurückzuziehen. Königin Elizabeth von England verlieh ihm die Ritterwürde, und er verließ die Bühne des Hauses als Held einer überwältigenden Galavorstellung, die er an der „Met“ für sich selbst arrangiert hatte.
Zur Zeit seines Abschieds war die „Met“ mit unmusikalischen Elementen überlastet, so daß der vom Nachfolger Sir Rudolfs engagierte Rafael Kubelik zum ersten Generalmusikdirektor in der Geschichte dieses Opernhauses wurde. Das Buch xoar schon im Druck, als der Nachfolger Göran Gentele bei einem Autounfall tödlich verunglückte. Die Probleme, die Bings Nachfolger erwarten, werden ausführlich erörtert. Schuy-ler Chapin, der neue „amtierende“ Generalsekretär, wird zweifellos solche Beiträge mit viel Interesse lesen, wie z. B.: „Meine Besorgnis über die Zukunft der Metropolitan Opera ist in erster Linie dem Umstand zuzuschreiben, daß Mr. Gentele als .neuer Mann' nicht die Kraft besitzen wird, gegen die dauernd wachsenden Forderungen der Bankiers anzukommen.“
Es gibt genug in diesem Buch für jeden Leser, • sei er nun ein Opernfreund oder ein Geiger am 3. Pult oder ein Aufsichtsratsmitglied des künstlerischen Betriebs. Es bietet ein Bild der Oper in New York mit ihrem Heer von Künstlern und Technikern, wie es in dieser Art wohl kaum anderswo zu finden ist.
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