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Der Westen blieb aus

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In Kairo verlautete, Präsident Mohammed Anwar es-Sadat habe in letzter Zeit mehrfach den seines Postens als Chefredakteur der einflußreichen offiziösen Tageszeitung „El-Ahram” („Die Pyramiden”) enthobenen und seitdem als Privatmann in der ägyptischen Hauptstadt lebenden Journalisten Mohammed Hassan ein Heikal empfangen. Gewöhnlich gut informierte Regierungskreise wollen erfahren haben, daß Heikal ein politisches Comeback bevorstehe. Kenner der Verhältnisse werten das als Tndiz dafür, daß der Kairoer Staatschef im Kampf gegen die innere Opposition und die katastrophalen wirtschaftlichen Schwierigkeiten neue Bundesgenossen braucht.

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In Kairo verlautete, Präsident Mohammed Anwar es-Sadat habe in letzter Zeit mehrfach den seines Postens als Chefredakteur der einflußreichen offiziösen Tageszeitung „El-Ahram” („Die Pyramiden”) enthobenen und seitdem als Privatmann in der ägyptischen Hauptstadt lebenden Journalisten Mohammed Hassan ein Heikal empfangen. Gewöhnlich gut informierte Regierungskreise wollen erfahren haben, daß Heikal ein politisches Comeback bevorstehe. Kenner der Verhältnisse werten das als Tndiz dafür, daß der Kairoer Staatschef im Kampf gegen die innere Opposition und die katastrophalen wirtschaftlichen Schwierigkeiten neue Bundesgenossen braucht.

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Der 51jährige Heikal war bis zum Tod Gamal Abd el Nassers der einflußreichste Journalist der arabischen und einer der meistzitierten der übrigen Welt. Seit der Revolution von 1952 gehörte er zum engsten Beraterkreis des „Rais”, bekleidete allerdings nur einmal — von April bis Oktober 1970 — ein öffentliches Amt, das des Informationsministers. Nach dem Tod seines Mentors fand er kein echtes Verhältnis zu dessen Nachfolger es-Sadat. Vor allem deshalb, weil er seine Mißachtung für den neuen Präsidenten schon zu Lebzeiten Nassers allzu offen gezeigt und sich selbst als einen der Nachfolgekandidaten eingeschätzt hatte. Heikal kritisierte immer offener die Politik und Person es-Sadats und verlor schließlich die Leitung des angesehenen Massenblattes „El-Achram”. Pläne zu einem Umzug zu seinem Freund Mo’ammer el-Gad- dafi nach Tripolis legte er jedoch bald wieder zu den Akten.

Jetzt scheint die Rechnung Hei- kals aufzugehen. Präsident es- Sadat, zermürbt vom allzulangen Warten auf substantielle westliche Wirtschafts- und Finanzhilfe, in die1 Enge getrieben von der Opposition gegen seine Wiederaufbau-, Innen- und Außenpolitik und bedrängt von den zunehmenden Versorgungsschwierigkeiten, braucht neue Freunde. Und Heikal ist geeignet, die Beziehungen zu den Alt-Nasseri- sten und vielleicht auch die zu el- Gaddafis Libyen wiederherzustellen. In Kairo sehen manche daher in ihm schon den potentiellen Nachfolger des amtierenden Premierministers Abdel Aistsis el-Hidschasi.

Den Ägyptern machen gegenwärtig vor allem Versorgungsprobleme schwer zu schaffen. Der Brotpreis blieb zwar seit rund dreißig Jahren unverändert, weil staatlich subventioniert. Allerdings hat sich die Größe eines Pitha-FladenS halbiert, und die Herstellungskosten sind etwa achtmal so hoch wie der Endpreis. Doch ohne die angesichts steigender Weltmarktpreise für Getreide unumgängliche Subvention gäbe es am Nil längst eine Hungersnot. Dafür steigen unaufhörlich die Preise für die übrigen Grundnahrungsmittel Reis, Eier, Obst und Gemüse, öl, Tee und Zucker sind Mangelware und Kamelfleisch gibt es nur zweimal wöchentlich. Der Preisanstieg bewegte sich im ablaufenden Jahr bei etwa zwanzig Prozent. Die Regierung trägt an dieser Lage keine Schuld. Schuld sind Mißernten, steigende Weltmarktpreise und der Bevölkerungszuwachs. Doch dem „kleinen Mann” ist das nur schwer verständlich zu machen. Hier bedürfte es rascher und unkonventioneller Hilfe des Westens, aber auch der arabischen Ölproduzenten.

Nicht weniger zu schaffen macht es-Sadat die Opposition von allen Seiten. Das Selbstvertrauen der Armee erreichte nach dem „Ramadan-Krieg” schwindelnde Höhen. Viele Offiziere träumen immer noch von einer endgültigen Gewaltlösung. Ihnen ist der forcierte Wiederaufbau der Suezkanalzone ein Dom im Auge. Sie wie die Syrer argwöhnen, diese Wiederaufbauziele bedeuteten ein endgültiges ägyptisches Disengagement im Nahostkonflikt.

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