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Deutschlands Einheit und das liebe Geld

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Noch weiß niemand, wann Deutschland auch im konkreten Alltag, also in den Lebensverhältnissen ein vereintes Land sein wird. Und weil das Ungleichgewicht so groß ist zwischen West und Ost, zwischen alter Bundesrepublik und neuen Ländern, hat man ein vielversprechendes Wort für jene Aufgaben gefunden, die zu lösen die Deutschen sich vorgenommen haben: der Solidarpakt.

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Noch weiß niemand, wann Deutschland auch im konkreten Alltag, also in den Lebensverhältnissen ein vereintes Land sein wird. Und weil das Ungleichgewicht so groß ist zwischen West und Ost, zwischen alter Bundesrepublik und neuen Ländern, hat man ein vielversprechendes Wort für jene Aufgaben gefunden, die zu lösen die Deutschen sich vorgenommen haben: der Solidarpakt.

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Zwei Tage zogen sich der Bundeskanzler, die Regierungschefs der Länder und die Partei- und Fraktionsvorsitzenden im Bonner Kanzleramt Mitte März zu einer Klausurtagung zurück. Zwei Tage lang wurde gebastelt an dem, was dann als Solidarpakt verkündet wurde.

Im Klartext: Es gibt Steuererhöhungen, die freilich häufig nicht so, sondern „Abgaben" genannt werden. Und vor allem bekommen die fünf neuen Länder mehr Geld, um die dortigen Probleme besser lösen zu können. Was heißt das konkret?

Investitionsschub im Osten

Werner Münch zum Beispiel, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, spricht von „wegweisenden Ergebnissen der Bonner Solidarpaktklausur", die eine solide Haushaltspolitik ermöglichen.

Der Ministerpräsident rechnet vor, daß mit dem neuen Konsolidierungsund Finanzierungskonzept in seinem Land 100 Mark mehr pro Einwohner investiert werden können. Der Fonds

Deutsche Einheit wird, so sehen es die Bonner Beschlüsse vor, noch in diesem Jahr um 3,7 Milliarden Mark aufgestockt. Davon fließen allein 670 MillionenMarknach Sachsen-Anhalt. 1994 werden 1,6 Milliarden Mark in dieses Bundesland fließen. Der Aus-und Aufbau der Verkehrsinfrastruktur, die Beseitigung der ökologischen Schäden und natürlich die Schaffung von dauerhaften Arbeitsplätzen durch Förderung von Gewerbeansiedlungen werden davon profitieren. Also die Menschen im Norden und Osten Deutschlands.

Von 1995 an wird die Finanzausstattung der neuen Länder zusätzlich erheblich verbessert durch ein Transfervolumen in Höhe von 55,8 Milliarden Mark. Und: „Der Anteil der Länder an der Umsatzsteuer beträgt ab 1995 konstant 44 Prozentpunkte. Damit wird unser Land in die Lage versetzt, das äußerst hohe Niveau der investiven Ausgaben des Landeshaushalts von gegenwärtig 32 Prozent zu halten" (Werner Münch). Die entsprechende Quote beträgt übrigens in den alten Bundesländern durchschnittlich rund 15 Prozent.

Neue Abgaben, neue Verteilung der Gelder und Einsparungen - so ließe sich das Konzept, das sich hinter dem wohlklingenden Namen „Solidarpakt" verbirgt, kennzeichnen. Zu den Einsparungen wird wohl auch der Abbau des Personalbestandes im öffentlichen Dienst gehören.

Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident in Sachsen, gab unmittelbar nach dem Ende der Bonner Klausurtagung noch eine andere Bewertung des Solidarpaktes. Er nannte das Ergebnis des Gipfelgesprächs einen „Erfolg für die bundesstaatliche Ordnung" in Deutschland.

Er ist nicht der einzige, der sich darüber freut, daß sich die Bundesländer gegenüber dem Bund beim Länderfinanzausgleich durchgesetzt haben. Bei der Verteilung der Umsatzsteuer hatten die Länder 45 Prozent für sich gefordert, doch Bundesfinanzminister Theo Waigel wollte nur 30 Prozent geben. Derzeit liegt der Prozentsatz bei 37.

Die Länder argumentierten gegen den Finanzminister und dessen Behauptung, der Bund trage sowieso die meiste Last der Vereinigungskosten. Das Ergebnis von 44 Prozent Umsatzsteuer für die Länder - das sind 17,5 Milliarden Mark mehr als bisher - wird als Sieg des Föderalismus in Deutschland gewertet.

Ob aber aus dem „Solidarpakt" ein wirklicher Solidarpakt in ganz Deutschland wird, hängt nicht zuletzt von den Deutschen selbst ab, die in Ost und West gleichermaßen bereit sein müssen für Opfer, die eine gemeinsame Solidarität ermöglichen.

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