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Die Tochter des Ostens und islamistische Minen

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Haben die Parlamentswahlen vom Oktober in Pakistan eine größere Wende gebracht? Vieles deutet darauf hin.

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Haben die Parlamentswahlen vom Oktober in Pakistan eine größere Wende gebracht? Vieles deutet darauf hin.

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Verschwunden sind die Kalasch-nikoffs. In Peschawar, wo auch schon vor dem Afghanistan-krieg die Stammesleute aus der Umgebung selten ohne Flinte einhergingen, muß man heute nach Waffen Ausschau halten. Sie haben sich nicht in Luft aufgelöst, Zurschaustellung aber ist nicht länger erwünscht. Auf der Strecke von Peschawar nach Islamabad (knappe drei Stunden per Auto) werden noch Busse überfallen und die Beisenden ausgeraubt, doch seltener als vor drei Jahren. Die afghanischen Flüchtlinge in ihren Behausungen aus sonnengetrockneter Eierpampe sind kaum weniger geworden, doch gibt es nicht mehr viele Mudschahedin. In den Vorstädten von Peschawar hat der Bauboom nicht nachgelassen, und Islamabad wächst über die großzügigen Pläne der Stadtväter hinaus.

Benazir Bhutto regiert diesmal wirklich. Während ihrer ersten Amtszeit nach den Wahlen von 1988 hatten die Erben des Militärdiktators Zia ul-Haq die Regierungsmaschine durch unzählige Sabotageakte lahmgelegt, sodaß Benazir Bhutto eigentlich unnütz herumsaß. Schließlich wurde sie wegen angeblicher

Unfähigkeit vom damaligen Präsidenten Ishäq Khan, einem Islamisten, aus dem Amt entfernt.

Heute besteht der entscheidende Unterschied darin, daß die Ministerpräsidentin das Militär auf ihrer Seite zu haben scheint, zumindest ist Stabschef General Wahid nicht gegen sie und verhält sich fair, beziehungsweise versucht, die Armee tatsächlich aus der Politik herauszuhalten, wie versprochen.

Als Störfaktor haben die Islamisten jedoch ihre Wirkung nicht verloren. Ihre Stärke bestand seit jeher in ihrer geschickten Unterwanderung des Verwaltungsapparates, des Bildungswesens und der Streitkräfte. Ihre zahlenmäßige Schwäche glichen sie durch unverhältnismäßig hohen Einfluß aus. Die elfjährige Gewaltherrschaft Zia ul-Haqs verhalf ihnen außerdem zu Schlüsselpositionen. Der Historiker und Religionsgelehrte Sayyid Fätimi warnt deshalb vor einer zu euphorischen Einschätzung der Lage durch die Mehrheit seiner anti-islamistischen Landsleute. Pakistan sei ein Minenfeld, betont er, nicht anders als Afghanistan.

„Hier sind es keine sowjetischen Minen, kein Kriegsmaterial, sondern Minen im übertragenen Sinn, all die von den Islamisten gestellten Fallen.” Die Islamisten, meint Fatimi, bedienen sich besonders gern der Waffe der Desinformation.

Benazir Bhutto scheinen diese Minenfelder weniger Furcht einzuflößen. Ungeachtet ihres fehlerhaften Urdu beeindruckt sie auf Pressekonferenzen durch Selbstvertrauen und Kompetenz. „Mein Regierungsprinzip heißt Konsens, nicht Konfrontation.” So hat sie sogar den Islamisten angeboten, als Koalitionspartner in die Regierung einzutreten. Von den 204 Sitzen der Nationalversammlung haben jene ganze drei Sitze errungen und sollten eigentlich über ein solches Angebot froh sein. Doch ihr stellvertretender Vorsitzender, der Wirtschaftswissenschaftler Khürshid Ahmad wies das Angebot zurück, „weil wir ihren Behauptungen, den Islam anwenden zu wollen, keinen Glauben schenken”. Die Islamisten möchten gern den Krieg in Afghanistan fortführen, um dort einen islamischen Staat zu errichten, wenn schon nicht zu Hause, dann wenigstens im Ausland. Ins Afghanistan-Abenteuer haben die Islamisten viel investiert, doch gegenwärtig ist das Land in zwei Dutzend Kleinstaaten zerfallen. Benazir Bhutto will davon nichts wissen und nichts aufs Spiel setzen. Sie hat deshalb auch den Kaschmirkonflikt (Seite 4) auf Sparflamme gesetzt.

Als Anfang Dezember der sudanesische Islamistenchef Turabi in Islamabad eintraf, wurde er nicht von Begierungsvertretern empfangen. Der Sudan wurde von den USA auf die Liste der Terrorstaaten gesetzt.

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