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Bhuttos Tod am Galgen: Funke in ein Pulverfaß

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Eine Region kommt nicht zur Ruhe: Afghanistan wird seit dem Putsch vom vergangenen Jahr kommunistisch regiert, dem Iran wird für die Zukunft ähnliches prophezeit, falls sich die innenpolitische Lage nicht bald stabilisieren sollte. Und schon droht ein weiteres Land in den Strudel revolutionärer Unrast zu geraten: Pakistan. Sollte das vom Obersten Gericht Pakistans bestätigte Todesurteil gegen Ex-Premier Sulfikar Ali Bhutto vollstreckt werden, sagen politische Beobachter dem Land schwerste Unruhen voraus.

Die Bestätigung des Todesurteils des Oberlandesgerichtes in Lahore vom März vergangenen Jahres, durch den Obersten Gerichtshof in Rawalpindi, hat weltweite Reaktionen ausgelöst. Führende Politiker aus aller Welt haben den Kriegsrechtsverwalter General Sia-ul Hak aufgerufen, das Todesurteil in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln, unter ihnen US-Präsident Carter, Großbritanniens Premier James Callaghan, der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew, Papst Johannes Paul II. und der türkische Ministerpräsident Bü-lent Ecevit, der Bhutto politisches Asyl anbot.

Gerade in der Person des seit zwei Jahrzehnten engagierten Politikers Bhutto spiegelt sich ein beachtlicher Teil der unglücklichen j pakistanischen Politik wider. Die tragische Rolle, die er auf der politischen Bühne seines Landes seit eh und je gespielt hat, begann im wesentlichen unter dem Militärregime von Marschall Ayub Khan, jenem Dramaturgen, der als Urheber des „politischen Trauerspiels“ ruhmlos in Pakistans junge Geschichte eingegangen ist.

Bhutto, schon damals als politischer Scharfmacher im ganzen Land bekannt, übernahm unter Ayub Khan den Posten eines Außenministers und brachte die Allianz mit Peking zustande. Ein Pokerspiel, von dem er erwartete, daß es Indien, dessen Flirt mit Moskau in dem ehrgeizigen Bhutto Eifersucht erregte, im Schach halten würde. Aber die Allianz erwies sich als Trugschluß. Sie vermochte die pakistanische Niederlage im Kaschmir-Krieg von 1965 noch den von Indien begünstigten Abfall von Ostpakistan zu verhindern.

Schon während der Parlamentswahlen von 1970 zeigte es sich, daß Bhuttos Volkspartei eine gewisse Abkehr von der islamischen Staatsideologie anstrebte, was sie insbesondere durch ihre klassenkämpferischen Sozialismusparolen während der Wahlkampagne deutlich zum Ausdruck brachte. Diesem neuen „sozialistischen Kurs“ der Volkspartei hatten die Oppositionsparteien nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Unter den breiten Volksschichten lösten die neuen Parolen indessen

Soll „hängen bis der Tod eintritt“: Pakistans Ex-Premier Bhutto

eine Welle der Euphorie aus. Man glaubte nämlich, ein politisches Allheilmittel gefunden zu haben. Als Bhutto noch obendrein Modernisierung des Staates, Sozialreformen und Wirtschaftsaufschwung versprach, honorierten Millionen von notleidenden Pakistanis sein Versprechen mit ihrer Stimmabgabe.

Nach dem Wahlsieg mußten allerdings Millionen von Pakistanis erkennen, daß die Regierungspartei

ihre Wahlversprechen nicht in die Tat umsetzen konnte, denn für ein solches reformpolitisches Gesamtvorhaben fehlte schon jegliche strukturelle Voraussetzung.

Mit ihrem Vorwurf, Bhutto hätte bei der Parlamentswahl am 7. März 1977 das Wahlergebnis gefälscht, leitete nach der Wahl die Opposition ihre eigentliche Kampagne im Machtkampf gegen den Regierungschef ein. Ursache dieser gezielten Aktion war eine seit langem zwischen Regierung und Opposition schwelende Krise.

Mit organisierten Streiks, gezielten Massendemonstrationen und zermürbenden Verhandlungen mit der Regierung, gelang es der Opposition, den Regierungschef so sehr unter Druck zu setzen, daß er sich zu undemokratischen und politisch unverantwortlichen Maßnahmen hinreißen ließ, worin das Militär wiederum den geeigneten Anlaß sah, die Regierung Bhuttos zu entmündigen und ihn selbst kaltzustellen.

Im Juli 1977 schlug General Sia-ul Hak zu. Ohne Blutvergießen gelang .es den Militärs, den Staatsstreich zu vollziehen. Seit dieser Zeit herrscht noch immer das Kriegsrecht mit Sia-ul Hak als oberstem Verwalter, der mit Hilfe des Militärs und einiger kooperationsbereiter Zivilisten regiert.

„Hängen bis der Tod eintritt“ soll Bhutto, weil er 1974 zusammen mit seinem Sicherheitschef und drei jungen Gefolgsleuten ein Mordkomplott gegen einen Oppositionspolitiker, Ahmed Rasa Kasuri, ausgeheckt habe. Opfer des Attentates wurde übrigens nicht der Politiker, sondern dessen Vater. Kasuri, der unverletzt davonkam, hat sofort nach der Tat Bhutto als Anstifter bezeichnet.

Immer noch groß ist die Anhängerschar Bhuttos - vor allem die unteren Schichten, das arme Landvolk und die Arbeiter - die in dem verurteilten Politiker nach wie vor ihren Befreier und Wohltäter sehen. Sie würden seinen Tod am Galgen sicher nicht stillschweigend hinnehmen und das ohnehin von regionalen Rivalitäten schon tief gespaltene Land, könnte ein hochexplosives Pulverfaß werden. Bhuttos Hinrichtung wäre der Funke in dieses Faß ...

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