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Eher jenen helfen, die niemanden gefährden

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Mörder ist nicht gleich Mörder, meint die ehemalige Staatsanwältin und fra.gt: Müssen gerade Extremtäter mit allen Mitteln therapiert werden?

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Mörder ist nicht gleich Mörder, meint die ehemalige Staatsanwältin und fra.gt: Müssen gerade Extremtäter mit allen Mitteln therapiert werden?

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diefurche: Sie sind sowohl durch ihren früheren Beruf wie auch ihre jetzige politische Tätigkeit - im Justizausschuß des Nationalrates - eine Expertin, die den österreichischen Strafvollzug sehr gut aus der Praxis kennt Welche sind Ihre wesentlichen Kritikpunkte an der derzeitigen Situation?

Liane Höbinger-Lehrkr: Es fehlt die Einbindung des Gerichtes in wichtige Entscheidungen der Strafvollzugsanstalten. Seit der Strafvollzugsgesetznovelle 1993 sind wesentliche Entscheidungen dem Leiter der jeweiligen Anstalt übertragen. Zu viel wird nach Anhörung des Psychiaters oder Psychologen außerhalb des Gerichtes entschieden.

Es geht hier speziell um Täter, die zu einer hohen Haftstrafe oder „Lebenslang” verurteilt worden sind. Solche wirklich Hochkriminellen haben meist Taten begangen, die jedes Verständnis und die Nachvollziehbarkeit überfordern. Das sind Personen, die mit dem Begriff des

„Menschen” unvereinbare Handlungen gesetzt haben. Nachdem sie verurteilt und in die Haftanstalt gebracht worden sind, wird dann dort alles in Eigenregie unternommen. Das Gericht wird nicht verständigt, wenn Freigänge beginnen. Unter den behandelnden Therapeuten kennen manche nicht einmal die Anlaßtat Für manche ist ein Mörder ein Mörder und aus. Aber Mörder ist nicht gleich Mörder! Auch wenn das Ergebnis der Tat jeweils ungefähr gleich ist. Wesentlich ist, auf welche Weise es erreicht worden ist. Hier zielt meine Kritik hin: Das berühmte Restrisiko - speziell in Extremfällen - hat die Bevölkerung zu tragen, das sehe ich nicht ein. Es muß sich ja niemand in die Lage begeben, daß er überhaupt

zum Restrisiko wird.

Mit dem Restrisiko, das beim Versuch der Resozialisierung solcher extremer Täter meist gegeben ist, werden jene behaftet, die überhaupt

nichts dafür können. Warum müssen gerade diese wenigen, die sich durch ihre Fat außerhalb dessen gestellt haben, was man die menschliche Gesellschaft nennt, mit allen Mitteln therapiert werden. Man sollte eher jenen - durchaus auch Straftätern - helfen,,durch die niemand anderer gefährdet wird.

Es gibt Menschen, die man nicht therapieren kann. Gerade das wollen sich die Psychologen aber oft nicht eingestehen. Mir wurde von den Grünen vorgehalten, ich sei ein Wegbereiter der Lynchjustiz. Da ist mir völlig unverständlich. Ich habe nie gefordert: Lebenslang muß ohne Wenn und Aber lebenslang bleiben! Als gläubiger Mensch habe ich sogar sehr viel Mitleid mit Tätern. Das endet allerdings dort, wo andere gefährdet werden.

Ich halte Freigang in den meisten Fällen für absolut sinnvoll, es ist gut, daß er im Entlassungsvollzug vorgesehen ist. Ich halte es aber für sehr gefährlich, wenn geistig abnorme Rechtsbrecher aufgrund der Entscheidung eines Psychologen auf sogenannten „therapeutischen Freigang” gesetzt werden können -ohne daß je ein Gericht damit konfrontiert wird.

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