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Die Sicherheit wird verstärkt
Läßt die Justiz gefahrliche Schwerverbrecher leichtfertig laufen? Was sagt dazu ein erfahrener Ministerialbeamter?
Läßt die Justiz gefahrliche Schwerverbrecher leichtfertig laufen? Was sagt dazu ein erfahrener Ministerialbeamter?
diefurche: Wie begegnen Sie jenen öffentlichen Anschuldigungen, die den Eindruck vermitteln, als sei die Bevölkerung akut durch zu liberal behandelte Schwerverbrecher bedroht, die auf Freigang morden, ihre Therapeuten umbringen oder während des Universitätsbesuches fluchten können'
MlMSTT.RIAl.KAT MlCHAKI, NKIDEK:
Durch die Vermengung mehrerer Zwischenfälle im Strafvollzug in den letzten Jahren ist der Eindruck entstanden, es käme alles aus der gleichen Quelle eines nicht kontrollierten Strafvollzuges. Es gibt meines Erachtens keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Tragödie, die Karl Otto Haas ausgelöst hat, und der Ermordung der Frau Dr. Kreuziger. Das eine - Karl Otto Haas - war der Versuch, jemanden, der in absehbarer Zeit bedingt entlassen werden sollte, auf die Freiheit vorzubereiten - dieser Versuch hat mit einer Katastrophe geendet.
In der Folge dieser Katastrophe „Haas” wurden die Sicherheitsvorkehrungen insbesondere bei Aktivitäten außerhalb der Anstalt neuerlich überprüft und in einem nicht unwesentlichen Bereich verstärkt. Das heißt, daß wir noch genauer überlegen, welchen Insassen wir in Freiheit agieren lassen. Da hat uns auch sehr die vom Bundesminister für Justiz eingesetzte interdisziplinäre Kommission geholfen, die sich mit der Frage beschäftigt hat, wie man eine Entlassungsvorbereitung am besten durchführen soll.
Ganz anders ist die Situation im Mordfall „Dr. Kreuziger” gelegen, hier war keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben. Es hat sich aber herausgestellt, daß die Beurteilung des Strafgefangenen Stockreiter bezüglich seiner Gefährlichkeit innerhalb der Institution nicht den Annahmen der Fachleute entsprochen hat. Ob eine Verstär-
kung der Sicherheit nach innen ein so einmaliges Ereignis wie die Ermordung eines Therapeuten verhindern kann, wird derzeit unter den Fachleuten diskutiert. Wenn wir davon ausgehen, daß die Beziehung zwischen einem Therapeuten und dem Klienten auch eine gewisse räumliche Vertraulichkeit voraussetzt, müssen wir völlig neue Wege beschreiten, um den Therapeuten gegen einen möglichen Angriff zu schützen. Lösungen in dieser Hinsicht werden derzeit geprüft.
Der dritte Fall, der uns vor wenigen Tagen beschäftigt hat, die Flucht eines zu lebenslanger Straf-haft Verurteilten, hat wieder einen anderen Aspekt. Der Mann ist bewacht in die Universität Linz ausgeführt worden, wie sich jetzt heraus-
stellt, war die Bewachung nicht ausreichend. Wir überlegen daher verstärkte Sicherheitsvorkehrungen, wenn wir uns dazu entschließen, Leute mit so langen Strafen in Freiheit welcher Aktivität auch immer nachgehen zu lassen.
diefurche: Kann man aus dem Fall „Haas” schließen, daß es manchen Tätern durchaus möglich ist, die behandelnden Arzte zu täuschen* Neider: Es ist fast unmöglich, sich scheinangepaßt zu geben gegenüber einem Psychiater, weil das Gesprächsverhältnis zu intim ist. Man kann sich scheinanpassen gegenüber Leuten, die man jeden dritten Tag sieht und mit denen man sonst nichts über sein Privatleben spricht. Aber in einer Therapie kommt das
Private so stark zum Tragen, daß ein erfahrener Therapeut eine Täuschung bemerken müßte.
Im übrigen war Haas einer der ganz wenigen Rückfälligen seit 1945. Unter den 220 seit dem Krieg entlassenen Hochkriminellen gab es nur ein bis zwei solche Rückschläge. Wir haben aber auch im therapeutischen Bereich die Kontrolle der Ärzte und Psychotherapeuten insofern verbessert, als eine verstärkte Super-vision durch Kollegen eventuelle Betriebsblindheit und daraus resultierende Fehler vermeiden soll.
Ministerialrat Dr. Michael Neider
ist im Justizministerium in leitender Position für Planung und Organisation des Strafvollzugs zuständig. Mit ihm sprach Bernhard Noll
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