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Februar-Kantate

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Im Linzer Kongreßsaal wird — nach einer Leseaufführung am 9. Februar im Jägermayrhof — am 24. Februar die von Gunter Waldek vertonte „Februar-Kantate" aufgeführt. Der Textautor schrieb dazu folgendes Geleitwort für das Programmheft.

Das österreichische Bewußtsein hat ein kokettes Verhältnis zum Tod. Die Literatur ist reich an Beispielen. Mich ärgert das, aber ich entrinne ihm nicht. Der Tod denkt an uns, auch wenn wir nicht an ihn denken.

Mit solcher Befangenheit sehe ich besonders jeden gewaltsamen Tod, der mir unerbittlich die Frage stellt: Warum war dieser ein Held und jener namenlos? Warum war dieser ein Heiliger und jener ein Verbrecher? Urteilt unsere Ethik wie die Schulbiologie bei Tieren: Nützlin-ge oder Schädlinge? Schon innerhalb eines einzigen Menschenalters schwankt das Urteil der Geschichte.

Meine eigene Kindheitserinnerung reicht bis zum Februar 1934 zurück. Damals sah ich zum erstenmal einen Toten. Das prägt, auch wenn es ein Dreijähriger nicht begreift. Alle Toten meines Lebens stehen im Schatten dieses Toten, von dem ich nicht weiß, auf welcher politischen Seite er gestanden war.

Auch der Todesgesang des Heiligen aus dem Severin-Oratorium war für mich nicht frei von dem unterbewußten Bild des Februarkämpfers. Warum starb dieser so schön — und jene mußten so schrecklich sterben? Wer stimmt jenen das Allelu-ja und den Psalm an?

Das war die Inspiration.

Das ist eine andere Aufgabe und eine andere Sprache als die der gedenkenden Historiker, Journalisten, Politiker, der weltlichen und geistlichen Amtsträger. Diese halten sich an die Fakten, ich halte mich an die Zeichen. Die Fakten zwingen, die Zeichen beschwingen. Die Zeichen überleben die Fakten, wenn sie treffen. Darauf hoffe ich.

Für den ersten Text begeisterten sich einige Freunde. Karl Gerbel und Hugo Scha-novsky — mittlerweile Bürgermeister von Linz — engagierten sich und stellten die Verbindung zu dem Komponisten Gunter Waldek her.

Die .JFebruarkantate" war kein offizielles Auftragswerk. Der Komponist verstand mein Anliegen. Wir haben uns gefunden, wir haben nachgedacht und diskutiert, gearbeitet und geändert. Im Spätherbst 1983 war die Partitur vollendet.

So hat Oberösterreich als einziges der von dem Februaraufstand 1934 betroffenen Bundesländer nun eine Kantate zu Ehren der Opfer.

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