Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Hat Jörg Haider Wirkung gezeigt?
Keinem sollte man vorwerfen, mit der Zeit klüger geworden zu sein. Es muß ja nicht gleich über Nacht geschehen. Das soll man auch Jörg Haider zubilligen. In seiner beachtenswerten „Wiener Erklärung" hat der FPÖ-Obmann Töne angeschlagen, die sich wie Tag und Nacht von früheren Aussagen unterscheiden, ja teilweise im Widerspruch stehen. Der Haider, der sich da im Wiener Nobelhotel seiner Parteiprominenz präsentierte, war ein ganz anderer als der, der sich noch am Aschermittwoch in der Rieder Jahn-Turnhalle als umjubelter Einpeitscher gerierte.
Was ist da passiert?
Manche sehen das im Zusammenhang mit der Übersiedlung Haiders nach Wien. Da könnte etwas dran sein. Denn auch bei seiner ersten „Karriere" als Jung-Abgeordneter zum Nationalrat hat er sich ganz anders artikuliert und gegeben als später in Kärnten. Da kamen sozial-liberale Züge zum Vorschein, so als wollte er sogar die SPÖ links überholen.
Das hieße: Jörg Haider ist anpassungsfähig, paßt sich und seinen Stil jenem politischen Klima an, das ihn jeweils umgibt. Und Wien ist eben nicht Kärnten. Haider hat zudem gewußt, worauf er sich einzustellen hat: Das sogenannte Wiener Parkett wurde nicht nur einem Bundesländer-Politiker bereits zum Verhängnis.
Daraus schließen manche, daß sich der FPÖ-Obmann jetzt eine Doppelrolle und -Strategie zurechtgelegt hat: Quasi ein Haider für die feine Gesellschaft im Nobelhotel, ein anderer für die johlenden Anhänger in einer Turnvater-Jahn-Halle. Das wäre denkbar, aber ebenso leicht durchschaubar. Bei jedem künftigen Auftritt.
Bleibt als dritte Erklärung eine Möglichkeit, die freilich Jörg Haider selbst gar nicht eingestehen kann: Die Auseinandersetzung mit ihm und über ihn im In- wie im Ausland hat Wirkung gezeigt. Er hat die Isolation begriffen, in die er politisch geraten ist: Durch sein gebrochenes Verhältnis zur österreichischen Nation und zur Vergangenheit, durch die diffusen Grenzüberschneidungen mit dem rechten Rand, durch seine Partei-Säuberungsaktionen. Auch wenn das alles die unzufriedenen Wähler, die ihm zuströmen, nicht inter-♦ essiert. Ihr politisches Gewicht kann er aber nur dann nützen, wenn es ihm gelingt, aus dieser Isolation auszubrechen.
So gesehen hätte die vielfache Auseinandersetzung mit Haider - von vielen oft als kontraproduktive „Überbewertung" bezeichnet - doch etwas bewirkt, nämlich die „Wiener Erklärung".
An ihr muß er jetzt gemessen werden. Dann wird sich zeigen, ob tatsächlich ein Lernprozeß stattgefunden hat.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!