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Kuriere mancherlei Art

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Jetzt reiten sie wieder. Vor Zeiten — sie erinnern sich noch? — sprengten des öfteren französische Chevaliers durch das jugendfreie Vorabendprogramm, dann waren es die Österreicher. Jetzt sind es hin und wieder die Schweizer, die sich nicht lumpen lassen. Die Franzosen hatten die besseren und zeitgerechteren Kostüme, die Österreicher hatten die begabteren Schauspieler. In der schweizerischen Koproduktionsserie trägt man frühes Barock, und zwar biederes.

Für und gegen den Kardinal Richelieu trabten die Franzosen, für Maria Theresia die Österreicher. Leutnant von Rotteck kam schwungvoll die Schönbrunner Gartenfront entlang (was ein Umweg war, straßenseitig einzureiten wäre für ihn praktischer gewesen, aber was weiß ein bundesdeutscher Fernsehkonsument), stürmte (nicht die blaue Stiege, sondern) die Freitreppe empor und die Große Kaiserin hatte, nicht ohne Schmunzeln und Hintergedanken, mit schöner Regelmäßigkeit einen Auftrag für ihn. Wussow entledigte sich dieser Aufträge nicht ohne bestandene Gefahren und mit überlegenem Können; Preußen und Österreicher entwickelten dabei so unverhohlene Sympathien füreinander, daß die ganze Serie garantiert ins historische Klischee der Bundesrepublik paßte und dort gut abzusetzen war.

Nunmehr traben die Grafen von Padola für die Republik Venedig. In einer schweizerischen Version der Kulturgeschichte haben besagte Grafen den gesamteuropäischen Kurierdienst und somit die Post erfunden. 1683, man denke!

Gewiß, die Erinnerung an das tadellos funktionierende Postwesen der alten Perser und der alten Römer war während des Mittelalters verlorengegangen, vom chinesischen Staatskurierdienst wußte nur Marco Polo, Versuche der Merowinger, der Karolinger, der kastilischen und französischen Könige waren in ihren Anfängen steckengeblieben. Aber immerhin hatte im Jahre 1504 ein gewisser Franz von Taxis eine Idee, die er dem Habsburger Philipp in den Niederlanden vortrug, eine Idee, die Philipps Sohn, Karl V., aufgriff und 1516 in kontinentale Dimensionen übertrug. 1520 war Johann Baptist von Taxis „chief et maistre general de noz postes par tous noz roy-aumes“, 1615 war Lamoral Taxis Reichsgraf und Reichspostmeister. Die Fürsten von Thum und Taxis (das Wort Fürst bildet außerhalb Österreichs bei derlei Familien einen Namensbestandteil von Gesetzes wegen) residieren heute noch bei Regensburg und kön-nen's bestätigen. Und in Wien erhielten die Grafen von Paar einen Sonderauftrag für das Postwesen in den gesamten österreichischen Erblanden.

Freilich, so genau sollte man es bei einer Vorabendserie nicht nehmen, und da die historischen Tatsachen doch recht unbürgerlich sind, sei den Eidgenossen und nicht weniger der Republik Venedig die biedere und hausgemachte Version von der Erfindung des europäischen Kurierwesens durch die Grafen von Padola gegönnt. Gute Ideen gibt's hier wie dort, also sei's drum.

Laßt sie reiten, die Padola, auch sie reiten gut.

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