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Lieber „Kleingartenparks“

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Monate nach dem Erscheinen der vom österreichischen Institut für Raumplanung veröffentlichten Untersuchung über „Zweitwohnungen für Freizeit und Erholung“ ist eine heftige Diskussion im Gange, die allerdings erst zögernd in einen Konsensus, betreffend das Problem der Zweitwohnungen in Österreich, einzumünden scheint. Immerhin wurden in den vergangenen Monaten erhebliche Fortschritte auf einem Teilgebiet erzielt. Der bedenkenlose Ausverkauf westösterreiehi-scher Grundstücke an ausländische Interessengruppen, welche die Errichtung von Zweitwohnungsprojek-ten, meist für bundesdeutsche Hoft-nungsgruppen, auf österreichischem Boden betrieben, geht heute längst nicht mehr so glatt vonstatten wie noch vor wenigen Jahren.

Gesetzliche wie administrative Abwehrmaßnahmen an der touristischen Westfront, aber auch in Kärnten, lenkten den Nachfragedruck weiter nach Osten ab. Seit auch in Salzburg ein kühlerer Wind für derartige Investitionsprojekte weht, wendet sich der Stoßkeil der Investoren vor allem nach Osten und Südosten, sprich Oberösterreich und Steiermark, wo so mancher Außenposten der Verteidigung österreichischer Interessen, sprich Gemeinderat, dem ersten Ansturm unterlag. Gefragt sind vor allem gut zugängliche, verkehrsmäßig erschlossene Grundstücke in schönen Gebirgsgegenden sowie in der Umgebung badetauglicher Gewässer.

Dabei scheint gegenwärtig vor allem das Salzkammergut sowie die westliche . Oststeiermark für ein-

schlägige westdeutsche Unternehmen interessant. So soll das eine oder andere Projekt, von dem weiter westlich nach der Verschärfung der Vorschriften nicht mehr die Rede war, etwas adaptiert plötzlich im oberen Ennstal aufgetaucht sein. Im fernsten Osten Österreichs wiederum wird der Neusiedlersee zum Traumland massenweise auftretender Individualisten und ihrer unternehmerischen Quartiermacher. Siehe das umstrittene 2500-Betten-Projekt von Pamhagen. Es gibt 'ahlreiche Vorhaben solcher und ähnlicher Art.

Während die Profiteure des Ausverkaufes geschlossen für Freizügigkeit im Grundverkehr und laxe Handhabung der Bauordnungen eintreten und ihre Interessen mit Hilfe nicht immer durchsichtiger Mittel wahren, gehen die Fronten oft genug mitten durch die Gemeindeverwaltungen, sehr oft spiegeln sie dabei die Interessenlage der Beteiligten. Dabei wird die ganze, vielfältige Problematik eines Vorganges, wie ihn die Zersiedelung österreichischer Landschaften darstellt, oft genug auf den Gesichtspunkt des Umweltschutzes reduziert und dieser dann noch auf das Detailgebiet des Gewässerschutzes verschoben und versimpelt, bis das Ja und Nein zu einem bestimmten Projekt nur noch von der Zusage einer stwas mehr oder etwas weniger großzügig dimensionierten Kläranlage abzuhängen scheint — ist es erst einmal soweit, haben die Geldgeber, die stets Geldnehmer in spe sind, so gut wie gewonnen.

In Österreich ergab sich aus den Daten des Mikrozensus und einer

Nacherhebung zur Wohnbaustatistik, daß von 54.000 zur ganzjährigen Bewohnung zugelassenen Zweitwohnungen 40 Prozent auf Gemeinden mit 2000 bis unter 5000 Einwohnern, ein Fünftel auf Wien entfielen. Dazu dürften noch annähernd 100.000 Zweitwohnungen kommen, die nach der Bauordnung nicht zur ganzjährigen Bewohnung zugelassen sind.

Zwei Drittel aller Zweitwohnungen in Österreich sind nicht mehr als 30 Kilometer, 80 Prozent maximal 60 Kilometer vom Hauptwohnsitz entfernt. Nur drei Prozent der Österreicher über 16 Jahre mit einem Haushaltnettoeinkommen unter 4000 Schilling, hingegen 12 Prozent aller, die in Haushalten mit einem Nettoeinkommen von über 10.000 Schilling leben, verfügen über Zweitwohnungen.

Wie viele Ausländer Zweitwohnungen in Österreich unterhalten, ist nicht bekannt —es gibt keinerlei Unterlagen zu diesem Thema. Aber auch über die Zweitwohnungen der Österreicher liegen noch viel zuwenig Detailinformationen vor. Das Institut für Raumplanung schlägt daher eine erweiterte Spezialerhe-bung im Rahmen des Mikrozensus vor und stellt einige möglicherweise nicht ganz populäre Fragen und Probleme zur Diskussion.

So die schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Erlebnis- und Erholungswertes vor allem großstadtnaher Erholungs- und hochwertiger Fremdenverkehrsgebiete durch eine chaotische Bauentwicklung, durch die, um ein Beispiel zu nennen, das Bisamberggebiet innerhalb weniger Jahre seinen Charakter völlig — und zum Nachteil der Großstadtbevölkerung — verändert hat. Die Landschaft wird zersiedelt, harmonische Landschafts- und Ortsbilder weiden zerstört, Badegewässer durch die Verbauung der Ufer „privatisiert“. Das Institut für Raumplanung fragt daher, mit welchen Mitteln die Sehnsucht des einzelnen nach einem Freizeitdomizil auf einen Nenner gebracht werden kann mit den Interessen der Allgemeinheit und schlägt Kleingartenparks sowie die Adaptierung von Bauten, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben (Bauernhäuser!) als Zweitwohnungen vor. Derlei wird heute dem Zufall überlassen, hier sollten, meint das Institut, Bundesdenkmalamt und Landwirtschaftskammern eingeschaltet werden.

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