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Präsident statt Hauptmann?

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Die Direktwahl des Landeshauptmannes durch „sein” Landesvolk (FURCHE 3/1991), seit dem Sommer des Vorjahres am innenpolitischen Tapet aller drei „Landeshauptmann-Parteien”, sorgt auch in Niederösterreich für heiße Auseinandersetzungen.

Im Zuge der Reform der Landtagswahlordnung, die ein stärker persönlichkeitsorientiertes Wahlrecht bringen soll, hat der ÖVP-Landtagsklub eine landesweite Befragungsaktion gestartet, die die Wünsche der Bevölkerung sondieren soll. Schon nach der Auswertung der ersten 1.000 Einsendungen präsentierte VP-Klubobmann Edmund Freibauer jüngst in der „Aktuellen Stunde” des blau-gelben Landtages einen durchgehenden Trend: 79 Prozent seien für die Vergabe von Vorzugsstimmen, 70 Prozent wollen den Landeshauptmann direkt wählen.

Die SPÖ konterte per Inserat. Demnach scheint zwar Übereinstimmung für ein personenbezogenes Wahlrecht „mit Vorzugsstimme” gegeben zu sein, nur über die Form der Stimmzettel gehen die Meinungen auseinander, doch an der Frage der Landeshauptmann-Wahl scheiden sich die Geister. Die Gegenargumentation: „Die ÖVP will den Landeshauptmann auch ohne Mehrheit - durch Direktwahl. Es ist ihr egal, daß das verfassungswidrig ist. Es ist ihr egal, mannes „jedenfalls einer Änderung der Bundesverfassung bedarf”, ist auch für den Föderalismusexperten Peter Pernthaler, Professor für Ver-f assungs- und Verwaltungsrecht in Innsbruck klar. Trotzdem hält er im Gespräch mit der FURCHE die Idee „für überlegenswert” und das Problem, daß der Landeshauptmann nach geltender Verfassungslage j a auch Organ der mittelbaren Bundesverwaltung - und damit weisungsgebunden - ist, für nicht unlösbar: „Ich glaube, daß die mittelbare Bundesverwaltung ein bisserl eine Fehlkonstruktion ist. Ich bin immer dafür eingetreten, das nach deutschem Muster als

Landesvollziehung von Bundesgesetzen zu konstruieren. Die Zukunft geht eher weg von der mittelbaren Bundesverwaltung.” Allerdings sollte das „parlamentarische Element” der Verantwortung gegenüber dem Landtag „wohl erhalten bleiben”.

Daß am Ende der Diskussionen Landeshauptleute als Landespräsidenten - „vergleichbar mit dem Bundespräsidenten” (Pernthaler) - herauskommen, stößt bei Pernthalers Wiener Kollegen Manfried Welan, der auch als Stadtrat und Dritter Landtagspräsident in Wien Politik hautnah erlebt hat, auf entschiedenen Widerspruch: „Ich halte schon den Bundespräsidenten (Anm.: hinsichtlich der Verfassungskonstruktion) für eine Anomalie. Und ich bin gegen die Direktwahl aller ähnlichen politischen Funktionäre, einfach aus dem Grund, weil ich für ein parlamentarisches Regierungssystem bin. ”Er trete überzeugt und im Gegenteil sogar für eine Aufwertung des Parlamentarismus ein.

Welan zur FURCHE: „Das Amt in der Demokratie beruht auf Vertrauen” , durch die Direktwahl käme es - „eine Quadratur des Kreises” -zu „zwei Vertrauen: das Vertrauen des Volkes in Form des Proporzes (Parlament, Landtag) und dann das Vertrauen des Volkes in Form des Majorzes (Direktwahl Landeshauptmannes)”. Als Politologe registriere er, daß sich die „Personalisierung ohnehin de facto durchgesetzt hat. Warum soll man das jetzt auch noch de jure machen?”

Bundesweite Abstimmung?

In der Direktwahl der Landeshauptleute sieht Welan „eine Gesamtänderung der Bundesverfassung”, was freilich nach geltendem Verfassungsrecht an eine Bedingung geknüpft wäre: „Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung... ist nach Beendigung des Verfahrens jedoch vor Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen” [Artikel 44 (2) Bundes-Verfassungsgesetz]. Dabei geht es nicht nur um die „immittelbare Bundesverwaltung” [Artikel 102], sondern vor allem auch um den Artikel 101, nach dem die Mitglieder der Landesregierung - ausdrücklich auch der Landeshauptmann - vom Landtag zu wählen sind. Damit schließt die Verfassung Alleingänge einzelner Bundesländer bei der Direktwahl ihres Landeshauptmannes im Umweg der Landesgesetzgebung aus.

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