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Stärkere „Landesfürsten''?

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Die „Personalisierer” sind unter uns! Landauf, landab wird die Forderung nach verstärkter Personalisierung der Politik allgemein und des Wahlrechts im besonderen erhoben.

Am weitesten sind bisher die Kärntner mit der Direktwahl der Bürgermeister gegangen. Und Vorschlage, auch die Landeshauptleute direkt zu wählen (FURCHE 3/ 1991), werden gemacht.

Grundsätzlich ist diese Diskussion zu begrüßen. Sie ist wohl vor allem als verständliche Reaktion gegen das als anonym empfundene Listenwahlrecht zu sehen. Die Verfechter einer möglichst weitgehenden Personalisierung erhoffen sich - wohl mit einem gewissen Recht -eine Lockerung dieser Anonymität, schärfere personelle Profilierungen, mehr Vertrauen und Legitimität, bessere Kontrollierbarkeit und ein erhöhtes Interesse an Politik insgesamt. Sich von verstärkter Personalisierung die Ausmerzung all unserer politischen Defizite zu erwarten, wäre nun freilich naiv. Sie kann nur als Teil einer breiter angelegten Reformstrategie verstanden werden. Alle Vorschläge aber, welche durch Direktwahl auf eine verstärkte Personalisierung und damit Aufwertung der Landeshauptleute abzielen halte ich für falsch.

Bevor ich diese Einschätzungen zu untermauern suche, sei darauf verwiesen, daß dieses Problem hier nur mit Vorbehalten seriös zu diskutieren ist, weil man parallel dazu Änderungs-. und Reformschritte erörtern müßte, die alle anderen relevanten Elemente der jeweiligen politisch-administrativen Systeme in den Ländern umfassen müßten (etwa komplementär dazu auf eine drastisch verstärkte Kontrolle abzielend).

Was spricht gegen eine Aufwertung der Position des Landeshauptmannes durch Direktwahl? Wie ist die gegenwärtige Situation? An der Spott, aber auch Bewunderung ausdrückenden Titulierung der Landeshauptleute als „Landesfürsten” ist - realpolitisch beurteilt -einiges dran. Kommt diesen doch aufgrund der sogenannten „spezifischen Landeshauptmannfunktionen” (F. Koja) in ihren jeweiligen Ländern beträchtliches politisches Gewicht zu. So ist der Landeshauptmann Teilorgan der Landesgesetzgebung, er vertritt das Land nach außen, er ist Vorstand des Amtes der Landesregierung und Vorgesetzter der Bezirkshauptmannschaften und hat als solcher umfangreiche Grganisations- und Personalkompetenzen. Insbe-sonders als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung steht er über den anderen Mitgliedern der Landesregierung und übt diesen gegenüber das Weisungs-, Leitungs- und Aufsichtsrecht aus. Als Mitglied der Landesregierung sind ihm zusätz lieh wichtige Agenden der Landesvollziehung zur monokratischen Erledigung übertragen.

Ist ein Landeshauptmann auch nur einigermaßen erfolgreich, so zählt er allein schon wegen seiner Kompetenzfülle und der damit gegebenen Entscheidungsmöglichkeiten zu den „Stars” der jeweiligen landespolitischen Medienszene, dazu kommen die vielfältigen Möglichkeiten, in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Es ist für die übrigen Parteien meist sehr schwer, glaubwürdige Alternativen personeller und auch inhaltlicher Art aufzubauen.

Fast jeder Landeshauptmann versucht auch - und das meist mit Erfolg - sich über die „Niederungen” des politischen Tageskampfes zu erheben und sich als scheinbar über den Dingen stehender, allein dem Gemeinwohl verpflichteter Staatsmann zu profilieren. Diese und noch andere Elemente bieten jetzt schon dem jeweiligen Amtsinhaber beträchtliche strukturelle Vorteile und diese werden meist mit Erfolg genutzt. So reicht die Akzeptanz der amtierenden Landeshauptleute sehr oft beträchtlich über die Grenzen des eigenen Parteimilieus hinaus.

Die jeweiligen Kandidaten um die Position des Landeshauptmanns waren also schon bisher nicht in unübersichtlichen Listen versteckte unbekannte Wesen, die dann nach dem Sieg einer Partei quasi aus dem Zylinder gezogen wurden -ganz im Gegenteil: Die Bewerber wurden und werden daher in der Wahlwerbung mit einer an Pene-tranz heranreichenden Eindringlichkeit in den Vordergrund gestellt, die für inhaltliche Aussagen kaum mehr Platz läßt. Landtagswahlen sind heute schon überwiegend Landeshauptmannswahlen.

Eine Direktwahl würde diesen Trend weiter verschärfen und die Depolitisierung der Landespolitik vorantreiben. Zu wünschen wäre hingegen eine Re-Politisierung im Sinne der klaren Benennung und Ausdifferenzierung der jeweiligen Interessenslagen und der Debatten über deren Berechtigung und Relevanz.

Mit anwachsendem Problemlösungsdruck sind mehr denn je die Parteien gefordert, die ihnen im parlamentarischen Systemen zukommenden Funktionen (insbesondere die der sensiblen Artikulation und des fairen Ausgleichs von divergenten gesellschaftlichen Interessen) zu erfüllen.

Demokratiepolitisch wesentlich wichtiger - und zwar im Hinblick auf die Transparenz der Macht und hinsichtlich einer besser als jetzt ausgestatteten Kontrolle-wäre also eine Aufwertimg der Regionalparlamente. Hier wären entsprechende Reformen - auch solche des Wahlrechts - von großem Nutzen. „Aufzurüsten” wären also die Landtage, die Landeshauptleute sind schon stark genug.

Der Autor ist Universitätsprofessor für Politikwissenschaft in Salzburg.

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